15. KWR Corporate Lounge 2023: HERAUSFORDERUNGEN AM ARBEITSMARKT: WIE MOTIVIEREN WIR UNS WIEDER ZU HÖCHSTLEISTUNGEN?
Die von der Rechtsanwaltskanzlei KWR jährlich veranstaltete „KWR Corporate Lounge“ (Podiumsdiskussion zu aktuellen rechtlichen und rechtspolitischen Themen) fand heuer am 06.06.2023 im Dachgeschoss des Wiener Justizpalastes statt. Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums der KWR Corporate Lounge, startet dieVeranstaltung mit einem Sektempfang für alle bisherigen und heurigen Podiumsdiskutanten auf der Terrasse des Justizpalastes mit Blick über die Dächer Wiens.
Unter der Moderation von RA Hon.-Prof. DDr. Jörg Zehetner (KWR), Vorsitzender der österreichischen Wettbewerbskommission, diskutierten vor 110 Gästen Mag. SilviaHruška-Frank, Direktorin der der AK Wien und der Bundeskammer der Arbeiter und Angestellten, BM Univ.-Prof. Dr. Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (BMAW), Mag. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) und Mag. Katharina Schneider, Unternehmerin (MediaShop, Permedio, 2 Minuten 2 Millionen, Investorin in Start-up Unternehmen) über die aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt.
Im Zentrum der Diskussion „HERAUSFORDERUNGEN AM ARBEITSMARKT: WIE MOTIVIEREN WIR UNS WIEDER ZU HÖCHSTLEISTUNGEN?“ standen unter anderem die Themen pandemiebedingte Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, AI/künstliche Intelligenz und deren Auswirkungen, Wegfall vieler, aber auch Entstehen von neuen Jobs, Reformbedarf im Bereich der Ausbildung, die Transformation der Arbeitswelten, Arbeitsmarktpolitik, Arbeitseitenflexibilisierung auch in Hinblick auf unterschiedliche Lebensabschnitte, Generation Z: Work-Life-Balance, Selbstbestimmtheit und Eigenmotivation, etc.
Katharina Schneider ist überzeugt, dass AI Bestandteil unserer Zukunft ist und die Super Skills der Zukunft Weiterbildung, lebenslanges Lernen und ständige Veränderung sind. Auch Start-Ups müssten sich ständig verändern und anpassen. „Wir sind mitten in einer Transformation, das ist weit mehr als ein bloßer Change-Prozess“. Sie plädiert für eine Modernisierung von Lehrinhalten an unseren Schulen und Bildungseinrichtungen. Technologische Neuerungen (Stichwort ChatGPT) dürften an Schulen auch nicht verboten, sondern müssten in die Ausbildung integriert werden. Als Start-up Investorin weiß sie, dass die Generation Z selbstbestimmt leben möchte und ihnen die intrinsische Motivation sehr wichtig ist.
Christoph Neumayer: „Wir haben uns zum Arbeitnehmermarkt entwickelt, alle Branchen suchen händeringend nach Menschen. Die große Herausforderung ist, wie wir es schaffen, Positionen zu besetzen und die gefundenen Menschen ausreichend zu motivieren. Wir haben auch in unseren Nachbarstaaten Vollbeschäftigung. Daher kommt auch von dort weniger Unterstützung. Die digitale und die Energietransformation stellen uns vor unglaublich Herausforderungen. Dabei handelt es sich nicht nur um ein österreichisches, sondern um ein europäisches Problem. Wir leben in spannenden Zeiten, die Herausforderungen können wir nur durch ein Mosaik an Maßnahmen meistern, dazu gehören fiskalische Maßnahmen, um den Umstieg von Teil- auf Vollzeit oder das Arbeiten nach dem Regelpensionsantrittsalter zu honorieren. Auch mehr Überstunden sollten steuerfrei gestellt werden, ohne eine umfassende Fachkräftestrategie geht es nicht.“.“
Silvia Hruška-Frank verweist, unter Hinweis auf den Veranstaltungstitel darauf, dass in Österreich ohnehin Höchstleistungen erbracht werden; im Vergleich zur Vorpandemiezeit konnte die Produktivität um weitere 10% gesteigert werden. „Es ist nur verständlich, wenn nun in einem Arbeitnehmermarkt auch verstärkt Forderungen nach Arbeitszeitverkürzung erhoben werden. Die Generation Z und danach noch mehr die Generation Alpha haben gelernt, ihre Bedürfnisse und Wünsche viel stärker zu artikulieren.“ Es ist aber richtig, wir stehen vor sehr großen Herausforderungen (große Spreizung zwischen sehr gut und sehr schlecht Ausgebildeten, mangelnde Durchmischung der Altersgruppen in den Unternehmen, Energie). Transformationsprozesse stellen große Herausforderung dar, denen man insbesondere auch mit einer guten Altersdurchmischung in den Unternehmen begegnen muss.
BM Martin Kocher betont, dass alle Parteien hinsichtlich der Arbeitsmarktpolitik das gleiche Ziel verfolgen, nur hinsichtlich der einzusetzenden Instrumente gebe es Auffassungsunterschiede. Wichtig ist, dass die richtigen Hebel gesetzt werden, sodass es zu keinem Wohlstandsverlust kommt. Die wesentlichen Themen sind: Steigerung der Erwerbsbeteiligung, insb von Frauen, Kinderbetreuung, Arbeit im Alter, Gesundheitsvorsorge, Zuwanderung, Veränderungen am Arbeitsmarkt durch AI. „Arbeitsmarktpolitik ist ein Zusammenführen von Mosaiksteinen.“ Es ist wichtig, der Generation Z Orientierung zu geben. Es ist aber völlig falsch, dass die Generation Z nicht arbeiten wolle. Dabei verweist er auch drauf, dass wir die höchste Erwerbsquote aller Zeiten haben. Es gebe aber darüber hinaus weitere Potenziale (out of labour force etc). „Wir stehen vor großen Herausforderungen, aber keine die uns überfordern würden.“
Einig ist man sich in vielen Dingen: Martin Kocher führt näher aus, dass Arbeit im Alter die Gesundheit fördert und das Leben verlängert (als Beispiele werden dabei zwei durchaus unterschiedliche Berufsgruppen genannt: Rechtsanwälte und Mönche). Silvia Hruška-Frank ergänzt, dass es auf die Rahmenbedingungen ankommt, damit man gesund bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten kann. Zentrale Faktoren sind Wertschätzung, eine gewisse Autonomie und gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen. Selbstbestimmung und diverse Teams sind Schlüsselfaktoren. Generell müsse man danach streben, ältere, erfahrene Arbeitskräfte länger im Arbeitserwerb zu erhalten, auch da deren Erfahrungen so wertvoll für jüngere Menschen sind. Dieser Aspekt wurde von Katharina Schneider besonders hervorgehoben: Den jüngeren Generationen ist die intrinsische Motivation ganz wichtig; diese wollen selbstbestimmt leben. Man wolle „sein eigenes Ding machen“. Dabei ist aber oft auch eine gewisse Beratungsresistent zu merken. Hier ist daher das Zusammenspiel der Generationen zentral. Ähnlich auch dem Zusammenwirken zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups: Containerschiffe und Schnellboote leisten unterschiedliche Dinge. Sie müssten richtig zusammenspielen. Jüngere müssen daher von erfahrenen Managern lernen. Dieses Zusammenwirken muss mehr etabliert werden, dies führt zu einer Befruchtung in beide Richtungen.
In diesem Zusammenhang wurden auch Flexibilisierungspotenziale im Bereich des Pensionsantritts diskutiert. Martin Kocher betont, dass es schon einiges an Instrumente gebe, man aber wohl noch mehr Anreize setzen müsste. Dabei erwähnte er als Beispiel, das von der AK erarbeitet Teilpensionsmodell. Vielfach lege es aber auch an zu wenig Information über die schon bestehenden Möglichkeiten (Zu- und Abschläge, Korridor). Das Argument „Ältere nehmen Jüngeren den Job weg“ hat schon früher nicht ganz gestimmt, heute stimmt es jedenfalls nicht mehr.
Christoph Neumayer: Wir müssen Menschen länger in der Beschäftigung halten. Auch im produzierenden Bereich ist es sinnvoll, auch wenn jemand im höheren Alter vielleicht nicht mehr anstrengende Tätigkeiten verrichten kann. So können ältere Mitarbeiter Ihre Erfahrungen beispielsweise In der Lehrlingsausbildung oder internen Weiterbildung weitergeben.“
Martin Kocher betonte abschließend, dass jedenfalls kein Kulturpessimismus angebracht sei: Man müsse sich vielmehr die Frage stellen, wie wir das Umfeld schaffen können, um auch die durchaus leistungsbereiten Jüngeren Menschen richtig in ihren Bedürfnissen abzuholen.
Seites des Publikums wurden noch ua internationale Aspekte der Homeoffice-Arbeit, Arbeitszeitflexibilisierung und die mangelnde Durchlässigkeit der Sozialversicherungssysteme (mit der Gefahr der Umqualifizierung im Rahmen einer GPLA [nunmehr GPLB]-Prüfung) angesprochen und mit dem Podium diskutiert.
Nach 90 Minuten intensiver Diskussionbedankte sich Jörg Zehetner beim Podium und Publikum für die ausgesprochen spannenden und wertschätzenden Diskussionen, die dann beim Ausklang noch sehr lange intensiv fortgeführt wurden.