Die österreichische Regierung hat rasch reagiert. Am vergangenen Sonntag wurde unter anderem das Bundesgesetz über die Errichtung des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds (COVID-19-FondsG) beschlossen. Mit diesem sollen die ersten wirtschaftlichen Verwerfungen bekämpft werden. Erste Maßnahmen sind unter anderem Kurzarbeit und Kreditgarantien der öffentlichen Hand. Diese sollen vor allem kurzfristigen Finanzierungsbedarf decken. Ein Unternehmen, das diese Hilfen in Anspruch nimmt, wird dies üblicherweise in enger Abstimmung mit der eigenen Hausbank machen, mit der ohnehin bereits Finanzierungsvereinbarungen bestehen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, worauf im Zusammenhang mit diesen bestehenden Vereinbarungen in der gegebenen Situation zu achten ist.
1. Grundsätzliches
Die grundsätzlichen Regeln zum Kreditvertag finden sich in den §§ 983 ff ABGB. Darin hat der Gesetzgeber auch ein generelles außerordentliches Kündigungsrecht beider Vertragsseiten vorgesehen. Darunter versteht man gemeinhin, dass einer Vertragspartei das Festhalten am Vertrag aus wichtigen Gründen unzumutbar geworden ist. Nach der Intention des Gesetzgebers müssen diese Gründe allerdings auf Seiten des anderen Vertragspartners liegen. Umstände aus der „neutralen Zone“ wie etwa der generelle Verweis auf eine Wirtschaftskrise sind damit kein Kündigungsgrund.
Allerdings hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in der Vergangenheit bereits anerkannt, dass „[…] eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Kunden oder eine erhebliche Gefährdung seines Vermögens zu jenen Umständen [zählt], die es für die Bank unzumutbar erscheinen lassen, das Dauerschuldverhältnis weiter aufrecht zu erhalten.“ Insofern könnte die COVID-19 Epidemie wohl dann zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Kreditgebers führen, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers wesentlich verschlechtern. Nur ein allgemeiner Verweis auf die Krise wird den Kreditgeber nicht zur Kündigung berechtigten. Diese muss sich schon in der Geschäftstätigkeit des Kreditnehmers niederschlagen.
In der Praxis werden die außerordentlichen Kündigungsgründe jedoch in den allermeisten Fällen konkret vertraglich ausgestaltet. Unternehmen sollten ihre Finanzierungsvereinbarungen – und auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Instituts – daher in erster Linie auf die folgenden Bestimmungen untersuchen:
- Material Adverse Change (MAC)
Ganz allgemein handelt es sich dabei um Vertragsklauseln, die den Kreditgeber, bei Eintritt eines Umstandes, der zu einer wesentlich nachteiligen Veränderung der Geschäftstätigkeit, der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage oder der Ertragsaussichten des Kreditnehmers geführt hat oder voraussichtlich führen wird zur außerordentlichen Kündigung berechtigen sollen. In der Praxis sind diese Klauseln vielfältig. Sie reichen von rudimentären Formulierungen, die über den hier angeführten Inhalt kaum hinausgehen, bis zu komplexen Strukturen, die möglichst viele Spielarten des Geschäftes des konkreten Kreditnehmers abdecken sollen.
Ob die COVID-19 Epidemie unter eine dieser Klausel fällt, muss daher jedenfalls anhand der Umstände beim konkreten Unternehmen und der Formulierung der Klausel beurteilt werden. Insbesondere wird hier entscheidend sein, ob die Verschlechterung bereits eingetreten sein muss, um das Kündigungsrecht zu begründen oder, ob es ausreichend ist, wenn eine Verschlechterung droht. Generell lässt sich jedoch sagen, dass der Material Adverse Change im Einzelfall wohl mit Zahlen begründet werden sollte. Andernfalls wäre die Argumentationsbasis dünn, sofern die Klausel nicht auf Epidemien und Seuchen direkt Bezug nimmt.
- Financial Covenants
Regelmäßig finden sich in Finanzierungsvereinbarungen auch konkrete Zusagen des Kreditnehmers, in denen dieser sich verpflichtet, bestimmte Finanzkennzahlen einzuhalten (zB. Eigenkapitalquote, Nettoverschuldungsgrad, etc.). Denselben Zweck verfolgt die immer wieder anzutreffende Verpflichtung, immer einen gewissen Mindestbetrag auf einem beim Kreditgeber geführten Geschäftskonto zu halten – üblicherweise gepaart mit einem in AGBs vereinbarten Pfandrecht an dem Konto. Verletzt der Kreditnehmer solche Verpflichtungen hat dies zumindest Vertragsstrafen, meistens aber ein Sonderkündigungsrecht der Bank zur Folge.
In der gegenwärtigen Situation werden für viele Kreditnehmer vereinbarte Finanzkennzahlen oft nicht zu halten sein. Um nicht vertragsbrüchig zu werden und plötzlich einer außerordentlichen Kündigung durch den Kreditgeber gegenüberzustehen, werden meist Verzichtserklärungen des Kreditgebers eingeholt (sog „waiver-letters“), mit denen dieser auf die Geltendmachung der außerordentlichen Kündigung verzichtet. Als Gegenleistung für die Risikoerhöhung ist etwa eine Gebühr oder einen Zinsaufschlag denkbar. Dies ist jedoch meist Verhandlungssache.
2. Unterstützung der öffentlichen Hand
Mit dem COVID-19-FondsG hat die Regierung weitreichende Änderungen am Bundesgesetz über die Einrichtung einer Abbaubeteiligungsaktiengesellschaft des Bundes (ABBAG-Gesetz) vorgenommen. Das ist jene Gesellschaft, die ursprünglich zur Abwicklung maroder Banken ins Leben gerufen wurde. Ihre Aufgabe wurde nun wesentlich erweitert und auf die Soforthilfe im Rahmen der Corona-Krise ausgedehnt. Geplant sind derzeit unter anderem:
- Härtefonds für Ein-Personen-Unternehmen und Kleinstbetriebe
- Überbrückungsgarantien für Betriebsmittelkredite für EPU/KMU sowie Tourismusbetriebe werden weitergeführt und ausgebaut.
- Garantien für Unternehmen mit 250 und mehr Mitarbeitern
- Direktkredite für betroffene Unternehmen
Während die Details einiger Hilfsmaßnahmen noch in Ausarbeitung sind, erfolgt die Einreichung für Überbrückungsgarantien (mit ihr werden bis zu 80 % des Überbrückungskredits gesichert) über die Hausbank des jeweiligen Unternehmens.
Eine Übersicht über die beabsichtigten Sofortmaßnahmen findet sich hier: https://www.wko.at/service/faq-coronavirus-infos.html#heading_Kompensation.
3. Empfehlung
Ist es absehbar, dass die gegenwärtige Krise zu deutlichen Umsatzeinbußen führen wird, empfehlen wir möglichst rasch in Dialog mit den Kreditgebern und der Hausbank zu treten. Nicht nur fördert Offenheit in der Regel das Vertrauen zwischen den Vertragspartnern. Es beschleunigt meist auch Beantragung und Abwicklung der staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, wenn die Kreditgeber frühzeitig an Bord sind.
Für Fragen zu diesem und sämtlichen anderen Themen rund um die rechtlichen Auswirkungen der COVID‑19 Epidemie stehen wir ihnen jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.