Haftungsrisiken für Geschäftsführer in der Corona-Krise

Das Corona-Virus stürzt tausende Gesellschaften, insbesondere durch den plötzlichen Wegfall von Umsatzerlösen, in die Krise oder verschärft bereits…

Das Corona-Virus stürzt tausende Gesellschaften, insbesondere durch den plötzlichen Wegfall von Umsatzerlösen, in die Krise oder verschärft bereits bestehende Krisenszenarien. In dieser kritischen Situation treffen die organschaftlichen Vertreter vielfältige Handlungspflichten, zu denen der Gesetzgeber aktuell bestimmte Sonderregelungen erlassen hat. Am Beispiel der GmbH-Geschäftsführer soll darüber ein kurzer Überblick gewährt werden.

1. Gesellschaftsrechtliche Pflichten

Die Geschäftsführer sind generell verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu führen. Insbesondere haben sie gemäß § 22 Abs 1 GmbHG auch für ein den Anforderungen der Gesellschaft angemessenes Rechnungswesen sowie internes Kontrollsystem zu sorgen. Bei Anzeichen einer Krise bestehen abgestufte gesellschaftsrechtliche und insolvenzrechtliche Pflichten.

Bereits bei Verlust des halben Stammkapitals sind die Geschäftsführer gemäß § 36 Abs 2 GmbHG zumindest verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Der Zweck dieser Vorschrift liegt in der Information der Gesellschafter. Unmittelbare Handlungspflichten der Gesellschafter bestehen allerdings nicht, insbesondere gibt es keine gesetzliche Verpflichtung der Gesellschafter, in der Krise sozusagen automatisch Kapital zuzuführen. Dies würde nämlich die gesetzliche Haftungsbeschränkung unterlaufen.

Bei Vorliegen eines negativen Eigenkapitals, wenn also durch Verluste die sonstigen Eigenkapitalpositionen (Stammkapital, Rücklagen) aufgebraucht sind, liegt eine sogenannte buchmäßige Überschuldung vor. In diesem Fall ist gemäß § 225 Abs 1 UGB im Anhang zu erläutern, ob auch eine Überschuldung iS des Insolvenzrechts vorliegt. Dafür ist entscheidend, ob eine positive Fortbestehensprognose für die Gesellschaft abgegeben werden kann oder nicht.

2. Insolvenzrechtliche Pflichten und Corona-bedingte Neuerungen

Insolvenzgründe nach der IO sind einerseits die Zahlungsunfähigkeit, andererseits die Überschuldung. Zahlungsunfähigkeit liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, alle fälligen Schulden zu bezahlen, und er sich die erforderlichen Mittel voraussichtlich auch nicht in angemessener Frist beschaffen kann. Der OGH geht von Zahlungsunfähigkeit aus, wenn nicht zumindest 95 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beglichen werden können oder anders gesagt, wenn eine Zahlungslücke von mehr als 5 % gegeben ist.

Nach § 69 Abs 2 IO besteht diesfalls die Pflicht der Geschäftsführer, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Uhr tickt also, und die Frist ist durchaus knapp bemessen.

69 Abs 2a IO sieht eine Verlängerung der Frist auf 120 Tage bei einer durch eine „Naturkatastrophe“ eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vor. Bis vor Kurzem bestand Rechtsunsicherheit, ob auch die Corona-Pandemie unter den Begriff der Naturkatastrophe fällt. Mit dem 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 16/2020) hat der Gesetzgeber in dessen Artikel 22 die Insolvenzordnung dahingehend geändert, dass auch Epidemien und Pandemien ausdrücklich unter den Begriff der Naturkatastrophe fallen. Damit ist geklärt, dass die Fristverlängerung des § 69 Abs 2a IO im vorliegenden Fall anwendbar ist.

Diese Anwendung setzt aber voraus, dass die Corona-Pandemie die alleinige oder zumindest klar überwiegende Insolvenzursache ist. Anders gesagt: Für Unternehmen, die ohnehin aus anderen (unternehmensinternen oder -externen) Gründen in die Insolvenz geschlittert wären, bleibt die 60 Tage-Frist aufrecht. Die Fristverlängerung soll also nicht dazu dienen, Unternehmen, die unabhängig von der Corona-Krise nicht überlebensfähig gewesen wären, weiterhin am Leben zu halten. Überdies ist zu beachten, dass es sich bei der 60- und 120-Tage Frist jeweils um Maximalfristen handelt, die nur ausgenützt werden dürfen, wenn ernsthafte Bemühungen zur Insolvenzabwehr stattfinden.

Artikel 21 des 2.COVID-19-Gesetzes sieht überdies generelle Regelungen zur Unterbrechung verfahrensrechtlicher Fristen (§ 1) sowie zur Hemmung von Fristen für die „Anrufung des Gerichts“ (§ 2) vor. Während die Unterbrechung gemäß § 1 auf die Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags wohl jedenfalls nicht zur Anwendung kommt, weil keine verfahrensrechtliche Frist vorliegt, wäre aufgrund des Wortlauts zumindest denkbar, die Hemmung gemäß § 2 parallel anzuwenden. Der Gesetzgeber dürfte dies freilich nicht intendiert haben. Mit dem 4.COVID-19-Gesetz vom 4.4.2020 (BGBl I 24/2020) hat der Gesetzgeber zumindest klargestellt, dass die obige Regelung des § 1 „in Insolvenzverfahren“ nicht anzuwenden ist.

Zu beachten ist weiters, dass obwohl § 69 Abs 2 IO nur von der Zahlungsunfähigkeit spricht, die Frist zur Antragstellung auch für den Insolvenzgrund der Überschuldung gilt, wie auch im Bericht des Budgetausschusses zum 2.COVID-19-Gesetz ausdrücklich klargestellt wurde. Dieser Insolvenzgrund ist wie oben angeführt zu verneinen, wenn eine positive Fortbestehensprognose abgegeben werden kann. Diese wird aber in Zeiten der coronabedingten Unwägbarkeiten noch schwieriger als sonst abgegeben werden können. Es bestand daher die Gefahr, dass Insolvenzen doch aufgrund der Erfüllung des Überschuldungstatbestands eröffnet werden müssten. Der Gesetzgeber hat darauf im 2.COVID-19-Justiz-Begleitgesetz (als dessen Artikel 37 Teil des 4.COVID-19-Gesetzes vom 4.4.2020) reagiert und darin auch die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung bis zum 30.6.2020 ausgesetzt, wenn diese Überschuldung „nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes“ eingetreten ist (dies ist gemäß § 17 Abs 2 2.COVID-19-Justiz-Begleitgesetz der 1.4.2020). Besteht dieser Zustand auch nach dem 30.6.2020 fort, hat der Schuldner das Insolvenzverfahren spätestens innerhalb von 60 Tagen nach dem 30.6. oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nachdem welcher Zeitraum später endet, zu beantragen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Schuldner nicht auch zahlungsunfähig ist (§ 9 Abs 3 2.COVID-19-Justiz-Begleitgesetz).

Zu beachten ist auch, dass die Fristverlängerungnur den Eigenantrag der Geschäftsführer für die Gesellschaft betrifft. Weiterhin möglich bleiben Insolvenzanträge von Gläubigern. Eine partielle Erleichterung schafft freilich der durch das 2. COVID-19-Gesetz geschaffene § 733 Abs 3 ASVG, wonach in den Kalendermonaten März, April und Mai 2020 keine Insolvenzanträge wegen der Nichtentrichtung bereits fälliger Sozialversicherungsbeiträge zu stellen sind. Auch sonstige Gläubiger werden sich angesichts der Verzögerungen im Gerichtsbetrieb bei der Stellung von Insolvenzanträgen möglicherweise eher zurückhalten. Zumindest zeigen die Statistiken des KSV, dass in den letzten beiden Wochen deutlich weniger Insolvenzen als im langjährigen Durchschnitt beantragt wurden. Mit § 9 Abs 2 2.COVID-19-Justiz-Begleitgesetz wurde zudem geregelt, dass Gläubigeranträge (nur) wegen Überschuldung bis zum 30.6.2020 nicht möglich sind.

Eine Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags führt zu Schadenersatzansprüchen der Gesellschaft gemäß § 25 GmbHG, insbesondere wenn danach Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet werden. Daneben bestehen aber auch, da § 69 Abs 2 IO als Schutzgesetz angesehen wird, direkte Ansprüche der Gläubiger. Dabei wird differenziert, ob es sich um Alt- oder Neugläubiger handelt. Ansprüche von Altgläubigern auf den „Quotenschaden“ (also die Reduktion der Insolvenzquote durch die verspätete Stellung des Insolvenzantrags) können wegen § 69 Abs 5 IO im Insolvenzverfahren nur vom Masseverwalter geltend gemacht werden. In den Erläuterungen zum 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz wird ausdrücklich festgehalten, dass eine Haftung der Geschäftsführer gemäß § 69 Abs 2 IO nicht in Betracht kommt, wenn sie bis zum 30.6.2020 wegen Überschuldung keinen Insolvenzantrag stellen, da infolge der Aussetzung der Antragspflicht eben keine Schutzgesetzverletzung vorliegt.

3. Fazit

Bereits diese kurze Darstellung zeigt, dass in der Krise viele rechtliche Fallstricke im Schnittbereich zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht lauern. Der Gesetzgeber ist aktuell bemüht, punktuell Erleichterungen zu schaffen, und hat dies in einigen wesentlichen Bereichen auch getan. Man darf aber die sonstigen, fortwirkenden Pflichten und somit das „große Ganze“ nicht aus den Augen verlieren. Im Zweifel sollte rechtlicher Rat eingeholt werden. Bei Bedarf stehen Ihnen unser Partner RA Priv.-Doz. Dr. Thomas Haberer und das sonstige KWR-Gesellschaftsrechts- und Restrukturierungsteam gerne zur Verfügung.

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