KWR Energy Law News Nr. 3

Woher kommt der Strom im Einkaufszentrum? – Das fortgesetzte Ende der Arealnetze

Lange war es üblich und gelebte Praxis, in räumlich begrenzten Arealen – wie zB Einkaufszentren oder Flughäfen – mehrerer Kund:innen über eine Einspeise- und Entnahmestelle (dh 1 Zählpunkt) mit elektrischer Energie zu versorgen. Solche sogenannten Objekt- oder Arealnetze stehen allerdings in einem immanenten Spannungsverhältnis mit den Regeln der Energiemarktliberalisierung (grundlegend bereits EuGH 22.5.2008, C-439/06 – citiworks,
ECLI:EU:C:2008:298). Nun bestätigt der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 4.4.2022, Ro 2018/04/0016): Für solche Konstruktionen besteht kein Recht zum Netzanschluss.

1. Zum Anlassfall

Der Revisionswerber baute in Kärnten eine ehemalige Brauerei zu einem Mehrfamilienwohnhaus mit 20 Wohneinheitenum. Diese sollten vermietet werden. Die Baubewilligung wurde im Jahr 2016 erteilt. Im November 2017 wurde die Feststellung des Bestehens der allgemeinen Anschlusspflicht nach § 45 K-ElWOG für das gesamte Mehrfamilienwohnhausbei der zuständigen Kärntner Landesregierung beantragt.

Die Kärntner Landesregierung stellt mit Bescheid vom 27.3.2018 fest, dass die allgemeine Anschlusspflicht des Verteilernetzbetreibers gegenüber dem Revisionswerber für seine Anlage nicht bestehe. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das LVwG Kärnten mit Erkenntnis vom 28.6.2018 als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auch der VwGH erachtete den Zulässigkeitsausspruch als gerechtfertigt, zumal die Frage, (i) ob der zentrale Bezug von Energie auf einer Verbrauchsstätte die Eigenschaft einesNetzbenutzers als Endverbraucherausschließe, noch nicht geklärt sei. Ebenso fehle Rechtsprechung zu den Fragen, (ii) in welcher Form die Weitergabe von elektrischer Energie an Drittezulässig sei und in welcher Konstellation in die Anschlussrechte des konzessionierten Netzbetreibers eingegriffen werde. Schließlich sei auch nicht geklärt, (iii)ob die Zuständigkeit der Landesregierungen, über das Bestehen der Anschlusspflicht zu entscheiden, unionsrechtskonform ist.

2. Endverbraucher:innen und Übergangsbestimmungen

Die allgemeine Anschlusspflicht nach § 45 K-ElWOG besteht – im Einklang mit der grundsatzgesetzlichen Regelung § 46 Abs 1 ElWOG 2010 – nur gegenüber Endverbraucher:innen und Erzeuger:innen. Endverbraucher:innen sind legal definiert als natürliche oder juristische Personen oder Personengesellschaften, die Elektrizität für den Eigenverbrauch kaufen (§ 3 Abs 1 Z 12 K-ElWOG).

Der Revisionswerber sah sich ua deshalb als Endverbraucher, weil die Verteilung zu Selbstkosten auf einer Verbrauchsstätte (in concreto an die 20 Wohneinheiten) immer zulässig gewesen sei. Dies auch, wenn die Tätigkeit nach der in der Übergangsbestimmung in § 68 Z 2 ElWOG 1998 genannten Frist aufgenommen worden sei, weil diese sich nur auf Endverbraucher:innen, die in Gewinnabsicht Energie in der Verbrauchsstätte verteilen, bezogen hätte. Auch § 74 Abs 1 2. Satz K-ElWOG würde anordnen, dass Unternehmen, die am 19.2.1999 Elektrizität auf einer Betriebsstätte verteilt haben, als Endverbraucher:innen gelten, auch wenn nicht sämtliche Voraussetzungen der Legaldefinition zutreffen.

Dem erteilte der VwGH eine Absage. Einerseits gelte der Bezug eines Arealversorgers – also etwa eines Immobilieneigentümers, der seinen Mieter:innen Elektrizität über eigene Leitungen zur Verfügung stellt – im Ausmaß der von Mieter:innen bezogenen Energie gerade nicht als Eigenverbrauch, sodass er in diesem Umfang auch nicht Endverbraucher ist (vgl schon VwGH 1.10.2018, Ro 2016/04/0046 [Th.Rabl/Ortner]). Andererseits stellen die ins Treffen geführten Übergangsbestimmungen (§ 74 Abs 1 K-ElWOG, § 68 Z 2 ElWOG 1998) eben nicht auf eine Gewinnabsicht ab. Ob daher eine Weitergabe zu Selbstkosten erfolgt, ist für die (ehemalige) Verbrauchsstättenregelung somit nicht relevant.

3. Unzulässige Zählpunktzusammenfassung

Anknüpfend an die (fehlende) Endverbrauchereigenschaft stellt der VwGH weiters klar, dass der Zählpunkt an jener Stelle einzurichten ist, an welcher der Strom aus dem Netz entnommen bzw. eingespeist wird; also direkt bei den Endverbraucher:innen (in concreto bei den 20 Wohneinheiten). Die Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist unzulässig (so auch ausdrücklich § 3 Abs 1 Z 83 K-ElWOG).

4. Netzanschluss, Netzzugang und die Zuständigkeit der Landesregierung

Erstmals befasst sich der VwGH auch mit der Zuständigkeit der Landesregierung über das Bestehen der Anschlusspflicht zu entscheiden. Klargestellt wird, dass die Begriffe „Zugang“ und „Anschluss“ eben unterschiedliche Bedeutung haben (so auch EuGH 9.10.2008, C-239/07 – Sabatauskas, ECLI:EU:C:2008:551). Während der „Netzzugang“ das Rechtumfasst, die Stromnetze zu benutzen, wird der Begriff „Anschluss“ eher in einem technischenZusammenhang verwendet und betrifft die physische Verbindung mit demNetz. Die BinnenmarktRLregelnnur die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Zugangs, nicht aber hinsichtlich des Anschlusses. Daher fallen Fragen des Anschlusses auch nicht in die zwingende Zuständigkeit der nationalen Regulierungsbehörden. Vor diesem Hintergrund war die Beurteilung des LVwG, die Zuständigkeit der Landesregierung im gegenständlichen Fall zu bejahen, auch nicht zu beanstanden.

5. Knifflige regulatorische Fragen bei der Versorgung Dritter

In welcher Form und bei welchen Konstellationen die Weitergabe von elektrischer Energie an Dritte daher ausnahmsweise doch (noch) zulässig sein könnte, hat der VwGH in seinem Erkenntnis nicht beantwortet. Allerdings wurde – wohl nicht überraschend – festgehalten, dass die (ehemalige) Verbrauchsstättenregelung auf „neue“ Mehrparteienwohnhäuser keine Anwendung findet. Das Ende der Objekt- bzw. Arealnetze setzt sich jedenfalls fort und es bleibt spannend, welche regulatorischen Möglichkeiten im Einzelfall allenfalls noch offenstehen.

Sollten Sie Fragen dazu und zu anderen energierechtlichen Themen haben, steht Ihnen das KWR Energy Team jederzeit zur Verfügung.

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