KWR Energy Law News Nr. 1

Klimakrise, Energie- und Wärmewende, Ausbau der Erneuerbaren und Energiegemeinschaften, Versorgungssicherheit und Krisenbewirtschaftung,…

Klimakrise, Energie- und Wärmewende, Ausbau der Erneuerbaren und Energiegemeinschaften, Versorgungssicherheit und Krisenbewirtschaftung, unvorhersehbare Preisentwicklungen, Wasserstoff und neue Technologien uva. Energierechtliche Fragestellungen sind aktueller und drängender denn je und betreffen alle, von den Endverbraucher:innen im Kleingartenhaus bis hin zu multinationalen Industriekonzernen.

Mit den neuen KWR Energy Law News informiert Sie das KWR Energy Team unter der Leitung von Thomas Rabl über aktuelle rechtliche Entwicklungen.

In der 1. Ausgabe der KWR Energy Law News geht es um die neue Erdgasbevorratung (strategische Gasreserve):

1. Novelle des GWG 2011

Die Invasion der Ukraine durch Russland ist eine nie dagewesene Bedrohung für die Gasversorgungssicherheit in der EU und in Österreich. Mit BGBl I Nr. 38/2022 wurde eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (GWG 2011) beschlossen (Einführung der neuen §§ 18a bis 18d), die der Etablierung einer nationalen strategischen Gasreserve dient. Ob hier noch Anpassungen nach geplanten Projekten der EU (REPowerEU) erfolgen werden (müssen), wird sich zeigen, einen unionsrechtlichen Bezug hat die Novelle nicht.

2. Abwicklung über Tochter der AGGM

Die Abwicklung der strategischen Gasreserve wird dem Verteilergebietsmanager, der AGGM Austrian Gas Grid Management AG (https://www.aggm.at/), im Wege einer gesetzlichen Beleihung übertragen. Die Vorhaltung erfolgt in Speicheranlagen. Der Verteilergebietsmanager war bislang als streng regulierter Systemoperator tätig. Die AGGM hat hierfür eine Tochtergesellschaft zu gründen, die die Gasreserve mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens zu beschaffen hat. Die an der AGGM beteiligten Aktionäre (https://www.aggm.at/unternehmen/eigentuemer-und-organe) und der Gesellschafter der zu gründenden Gesellschaft können nicht für Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft in Anspruch genommen werden, es sei denn, dass sie die Zahlungsunfähigkeit auf unredliche Weise allein oder im Zusammenwirken herbeigeführt haben. Daher gebührt diesen weder ein Gewinn aus den mit der Vorhaltung der strategischen Gasreserve in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten, noch haben sie einen Verlust zu tragen.

3. Umfang der Gasreserve

Die Höhe der Reserve bemisst sich aus den jeweils im Jänner abgegebenen Gasmengen. Für das Jahr 2022 sind dies 12,6 TWh.

4. Nutzung der Gasreserve und Kosten

Die Freigabe von Gasmengen soll durch Verordnung der Energieministerin nach dem Energielenkungsgesetz 2012 erfolgen. Die tatsächliche Durchführung obliegt in einem solchen Fall dem Verteilergebietsmanager, wobei sich dessen hoheitlicher Ermessensspielraum aus den Vorgaben der Verordnung ergibt. Die Kosten sollen nach dem Kostendeckungsprinzip aus Bundesmitteln bedeckt werden, bei der Tochtergesellschaft sollen weder Gewinne noch Verluste anfallen. Je nach der Preisentwicklung kann dies bis zu € 2 Mrd. (oder auch mehr) kosten. Sofern Marktteilnehmern Gasmengen überlassen werden, erfolgt dies im Rahmen der Ausgleichenergiebewirtschaftung. Hierfür hat der Verteilergebietsmanager eine Gebühr nach bestimmten Kriterien festzusetzen und zu verrechnen.

5. Amtshaftung

Für die von Vorständen, Geschäftsführern oder Dienstnehmern des Verteilergebietsmanagers in Wahrnehmung dieser Aufgaben zugefügte Schäden haftet der Bund nach den Bestimmungen des Amtshaftungsrechts.

6. Zeitplan

Dem Vernehmen nach soll die Befüllung der strategischen Gasreserve ab dem 1.6.2022 erfolgen. Sie soll erstmals zum 1.11.2022 zur Verfügung zu stehen.

7. Keine Energielenkung

Rechtlich handelt es sich hier in vielen Bereichen um Neuland. Wichtig ist zunächst einmal festzuhalten, dass es sich hier nicht um Energielenkung ieS handelt, dies dient vor allem der Abwendung einer unmittelbar drohenden Störung oder zur Behebung einer bereits eingetretenen Störung der Energieversorgung Österreichs, während die neue Bevorratung (wie etwa schon länger bei Erdöl) Vorsorgecharakter hat.

8. Beleihung: Rechtsformen und Rechtsschutz fraglich

Neu sind hier aber vor allem die ausdrückliche gesetzliche Beleihung der AGGM (nicht aber der zu gründenden Tochtergesellschaft!), was nicht nur Fragen nach der Rechtsform des Handelns bei der Gründung der Tochtergesellschaft und der Abwicklung der Bevorratung (Bescheid, Verordnung oder doch nur schlichtes hoheitliches Handeln in Anlehnung an das Privatrecht), aufwirft, sondern auch beim Rechtsschutz gegen Maßnahmen der AGGM und ihrer Tochtergesellschaft uva. Dass der Bund hier zT nach dem Amtshaftungsrecht haftet, hilft nichts..

9. Formalgesetzliche Delegationen

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind auch weitgehend unterdeterminiert und enthalten wahrscheinlich auch formalgesetzliche Delegationen, die das Verfassungsrecht verbietet.

10. Praktische Knackpunkte

Was bedeutet die neue Gasreserve aber praktisch? Dies wird sich erst zeigen, denn man kann ja nur etwas bevorraten, was man irgendwo noch am Markt ergattert. Sollte Russland die Gashähne zudrehen, dann nützt auch das beste Gesetz nichts, weil es eben nicht genug Gas geben wird, um den Bedarf zu decken. Dafür, dass eine Bevorratung auf Kosten des Bundeshaushalts den Marktpreis nach oben treiben wird und den Versorgungsunternehmen (und deren Kund:innen) dadurch das Leben noch schwerer gemacht werden wird, braucht man kein besonderer Prophet zu sein.

  • Gaskund:innen

Dass durch die neue Gasreserve die Situation für alle Gaskund:innen praktisch verbessert wird, ist zweifelhaft, zumal wahrscheinlich die Preise steigen und nur das bevorratet werden kann, was sich am Markt befindet. Wenn es zu wenig gibt, wird man wohl der Energielenkung nicht auskommen!

  • Gasversorgungsunternehmen

Den Versorgungsunternehmen erwächst mit dem neuen Reservebeschaffer ein Konkurrent, der in einem Verknappungsmarkt eben nicht nur die Preise nach oben treiben könnte, sondern auch Probleme bei der Erfüllung von Lieferpflichten gegenüber den Kund:innen bereiten könnte. Anders als im Energielenkungsrecht besteht aber in einem solchen Fall keine Haftungsbefreiung für Versorger. Ob und wie diese überhaupt höheren Beschaffungskosten an die Kund:innen weitergegeben werden können, ist ein weiteres Problem, das durch die Gasreserve wahrscheinlich verschärft werden wird. Einseitige Preisänderungsmöglichkeiten, wie etwa im Strombereich (§ 80 Abs 2a ElWOG 2010), bestehen bei Erdgas nicht.

11. Fazit

Ob und wenn ja was, die neue Gasbevorratung zur Versorgungssicherheit effektiv beitragen wird, wird sich rasch zeigen. Eine legistische Meisterleistung ist diese sicher nicht. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass hier etwas über das Knie gebrochen wurde.

Sollten Sie Fragen dazu und zu anderen energierechtlichen Themen haben, steht Ihnen das KWR Energy Team jederzeit zur Verfügung.

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