Die aktuellen globalen Auswirkungen der Verbreitung des COVID-19 sind mittlerweile für jeden mehr als spürbar; sei es auf privater, beruflicher oder sonstig denkbarer Ebene. Ein unmittelbares Ende dieses Zustands in absehbarer Zeit steht nicht bevor. Dennoch wird auch dieser Tag („The Day After“) kommen, dh der Tag, an dem das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wieder stufenweise „raufgefahren“ werden kann. Dass die ersten Wochen, Monate oder gar Jahre nach diesem Tag auch von einer globalen Wirtschaftskrise geprägt sein werden, ist zu befürchten.
Konjunkturfördernde Maßnahmen des Staates gab es auch bereits in Zeiten schwacher Konjunktur oder generell in Krisenzeiten. Das vergaberechtlich prominenteste Beispiel ist der Schwellenwert zur Zulässigkeit der Wahl der Direktvergabe.
Fraglich ist, ob und welche vergaberechtlichen Instrumentarien – wenn auch mittelbar – eingesetzt werden könnten, um die Auftragslage nach dem Tag X zu forcieren? Welche Maßnahmen könnten etwa auch auf Gesetzesebene angedacht werden, um diese bevorstehenden, schwierigen Zeiten abzufedern?
Denkbar wären dabei insbesondere Erleichterungen in nachstehenden Bereichen:
Ausweitung der Direktvergabe (mit und ohne vorherige Bekanntmachung)?
„Reguläre“ Direktvergaben (dh Direktvergaben ohne vorherige Bekanntmachung) können derzeit gem § 46 Abs 2 BVergG 2018 – für alle Auftragsarten gleichermaßen – bis zu einem geschätzten Auftragswert iHv EUR 100.000,– (netto) zulässiger Weise gewählt werden. Hierbei handelt es sich bereits um einen im Vergleich zu den europäischen Vorgaben erhöhten Auftragswert, der auf nationaler Ebene im Hinblick auf die vorliegende Konjunktur individuell festgelegt wurde (grundsätzlich würde der diesbezügliche Schwellenwert derzeit bei EUR 50.000,– liegen).
Für Direktvergaben mit vorheriger Bekanntmachung finden sich in § 47 Abs 2 BVergG 2018 entsprechend höhere Schwellenwerte. So darf diese Verfahrensart bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen bis zu einem geschätzten Auftragswert iHv EUR 130.000,– (im Sektorenbereich bis EUR 200.000,–), bei Bauaufträgen bis EUR 500.000,– (jeweils netto) zulässiger Weise gewählt werden.
Der nationale Gesetzgeber hat somit in der Vergangenheit bereits auf eine schwierige, wirtschaftliche Situation reagiert, indem er die Schwelle für reguläre Direktvergaben erhöht hat. Für die zu befürchtende Wirtschaftskrise anlässlich der COVID-19 Krise wäre eine (zumindest vorübergehende) Anhebung der zulässigen Wertgrenzen jedenfalls anzudenken; dies für die reguläre Direktvergabe wie auch für die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung gleichermaßen.
Hierdurch würde Auftraggebern eine entsprechend höhere Flexibilität eingeräumt werden, benötigte Leistungen (ungeachtet welche Auftragsart) im Rahmen eines vereinfachten, im Wesentlichen formfreien und vor allem raschen Verfahrens zu beauftragen. Diese vereinfachten Verfahrensabläufe würden nicht nur personelle und wirtschaftliche Ressourcen der Auftraggeber schonen. Vielmehr würde dies auch die Möglichkeit eröffnen, bei der Beschaffung gerade lokale Unternehmer zu berücksichtigen (vgl unten).
Förderung lokaler Beschaffungen
Wie so oft, werden die aktuellen und noch bevorstehenden, wirtschaftlichen Herausforderungen wohl insbesondere Klein- und Mittelunternehmer (KMU) besonders hart treffen. Somit wäre ein weiterer Aspekt – nicht bloß aus auftraggeberseitiger, sondern gerade auch aus auftragnehmerseitiger Sicht – die Förderung von Beschaffungen zugunsten lokaler Unternehmer (gerade KMU’s). Hierbei könnte es sich schließlich um eine sogar existenzrettende Maßnahme für viele Unternehmer handeln.
Die konkrete Ausgestaltung einer geförderten lokalen Beschaffung könnte dabei mehrere Ansätze haben. Eine Herangehensweise wäre sicherlich die Erhöhung der Schwellenwerte für „vereinfachte“ Verfahrensarten, gerade in Bezug auf Direktvergabe (vgl bereits oben). Hierdurch hätten Auftraggeber einen größeren Spielraum Beschaffungen rasch durchzuführen und damit rasch in die Umsetzung zu gehen. Dies wäre gerade für lokale Kontrahenten ein wesentlicher Impuls.
Im Hinblick auf Verfahren, die EU- oder österreichweit auszuschreiben sind, könnte eine klarstellende Ausweitung der gesetzlichen Rahmendbedingungen im Zusammenhang mit der Festlegung von Eignungs- und Zuschlagskriterien angedacht werden. Insbesondere wäre in Erwägung zu ziehen, die Zulässigkeit regionalbezogener Zuschlagskriterien auszuweiten, wodurch sich die Erfolgsaussichten lokaler Unternehmer erheblich verbessern könnten. Eine sachliche Rechtfertigung derartiger Kriterien bspw aufgrund eines geringeren Schadstoffausstoßes durch kürzerer Anfahrtswege wäre wohl (gerade auch im Hinblick auf die im Regierungsprogramm definierten Umweltziele) ebenfalls argumentierbar.
Es ist zudem damit zu rechnen, dass eine Lockerung der faktischen Einschränkung des grenzüberschreitenden Bezuges (durch Grenzsperren) uU auch bloß in sukzessiven Schritten erfolgen wird.
Von einer Förderung der regionalen Beschaffung würden in diesen Zeiten somit letztendlich sowohl Auftragnehmer wie auch Auftraggeber profitieren.
Flexibilität bei Änderungen bestehender Verträge
Ein weiterer, ganz wichtiger Bereich betrifft nicht den Abschluss neuer Verträge nach Durchführung entsprechender Vergabeverfahren. Vielmehr geht es um die Zulässigkeitsgrenzen betreffend die Änderung bereits bestehender (Alt-)Verträge.
Mit der BVergG-Novelle 2018 wurde erstmals klargestellt (§ 365 BVergG 2018), innerhalb welcher Grenzen (quantitativ und qualitativ), bestehende Verträge zulässiger Weise ohne Neuausschreibung angepasst werden können; es sich im Ergebnis also um eine „unwesentliche“ Vertragsänderung handelt. Ein Tatbestand für zulässige (unwesentliche Vertragsänderungen ist dabei das Vorliegen klarer, präziser und eindeutig formulierter Vertragsänderungsklauseln in den ursprünglichen Ausschreibungsunterlagen. Dieser Änderungstatbestand bleibt in seiner Bedeutung auch im Hinblick auf die bevorstehenden Krisenzeiten unverändert. Weisen bereits abgeschlossene Verträge entsprechende Klauseln (iSd obigen Anforderungen) auf, so können diese nach wie vor ausgeübt werden.
Der zweite, aus praktischer Sicht wesentliche Änderungsbereich betrifft die quantitative Änderung (Erweiterung/Kürzung) des Leistungsumfangs. Vereinfacht zusammengefasst, sind derartige Vertragsanpassungen derzeit bis zu einer Änderung der ursprünglichen Auftragssumme von 10% bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und von 15% bei Bauaufträgen grundsätzlich zulässig (wobei die prozentuelle Beschränkung insgesamt, dh nicht je Vertragsänderung anzusetzen ist). Darüber hinaus sind Änderungen der Auftragssumme ua dann möglich, wenn (im Oberschwellenbereich) die zusätzlichen Leistungen 50% des ursprünglichen Auftrags nicht übersteigen und weitere, auftrags- und auftragnehmerbezogene Kriterien erfüllt werden (Vorliegen von nicht vorhersehbaren Umständen, erhebliche Schwierigkeiten bei einem Auftragnehmerwechsel, etc).
Würde man Auftraggebern nunmehr einen größeren Spielraum einräumen, bestehende Verträge umfassender abändern oder erweitern zu können, so würde dies durchaus rasche Leistungsabwicklungen mit sich bringen. Ein Aspekt wäre selbstverständlich gerade die zeitliche Komponente, da bei einer zulässigen Änderung kein (uU langwieriges) Vergabeverfahren durchgeführt werden müsste. Gleichzeitig würden Auftraggeber wiederrum personelle und finanzielle Ressourcen einsparen, die anderweitig verwendet werden könnten.
Denkbar wäre eine derartige Erleichterung insbesondere durch Anhebung der derzeit vorgesehenen Bagatellgrenzen (10% / 15%). Hierdurch würde Auftraggebern insbesondere die Möglichkeit eingeräumt werden, ergänzend benötigte (womöglich zeitkritische) Leistungen, formfrei und „unbürokratisch“ vom bereits bestehenden Vertragspartner zu beziehen, ohne die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens (welches entsprechende Kapazitäten und Ressourcen binden würde) erforderlich zu machen.
Fazit
COVID-19 wird, auch nachdem die verhängten Maßnahmen (wohl stufenweise) aufgehoben werden und das öffentliche und wirtschaftliche Leben wieder heraufgefahren wird, noch erhebliche Herausforderungen mit sich bringen. Eine globale, nachhaltige Wirtschafskrise ist zu befürchten. Das Vergaberecht würde dabei grundsätzlich verschiedene Ansätze liefern, mögliche Konsequenzen zumindest punktuell abzufedern und konjunkturfördernde Impulse zu setzen. Möglich ist dies (derzeit) aber nur durch (ggf vorübergehende) Anpassung der (europäischen) Gesetzeslage.