Neues „vorinsolvenzliches“ Restrukturierungsverfahren

Mit 17.07.2021 ist die neue Restrukturierungsordnung (ReO) in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist es, finanziell angeschlagenen Unternehmen eine…

Mit 17.07.2021 ist die neue Restrukturierungsordnung (ReO) in Kraft getreten. Ziel dieses Gesetzes ist es, finanziell angeschlagenen Unternehmen eine Möglichkeit zur frühzeitigen Restrukturierung zu bieten. Durch dieses Verfahren soll die Bestandsfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt und eine Insolvenz vermieden werden.

Restrukturierungsverfahren im Überblick

Antrag

Voraussetzung für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens ist die „wahrscheinliche Insolvenz“ des Schuldners. Diese ist im Antrag darzulegen. „Wahrscheinliche Insolvenz“ ist gegeben, wenn der Bestand des Unternehmens ohne Restrukturierung gefährdet wäre, insb. wenn Zahlungsunfähigkeit droht oder die URG-Kennzahlen (Eigenmittelquote < 8% und fiktive Schuldentilgungsdauer > 15 Jahre) vorliegen.

Dem Antrag auf Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens sind ein Restrukturierungsplan bzw. zumindest ein Restrukturierungskonzept, ein Finanzplan für 90 Tage sowie die letzten 3 Jahresabschlüsse beizufügen. Sofern nur ein Restrukturierungskonzept vorgelegt wird, ist ein Restrukturierungsplan kurzfristig nachzureichen.

Eigenverwaltung/Restrukturierungsbeauftragter

Die ReO geht grundsätzlich von einer Eigenverwaltung des Schuldners aus, sieht jedoch für zahlreiche Fälle eine Verpflichtung/Möglichkeit zur Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragen durch das Gericht vor. Ein solcher Fall ist u.a. dann gegeben, wenn es der Unterstützung des Schuldners/der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplans bedarf bzw. – ganz generell – wenn die Gläubigerinteressen dies erfordern.

Vollstreckungssperre

Der Schuldner kann zur Unterstützung der Verhandlungen über den Restrukturierungsplan beantragen, dass für bestimmte Gläubiger oder Gläubigerklassen (bei einem öffentlichen Verfahren auch für alle Gläubiger) eine Vollstreckungssperre angeordnet wird. In diesem Fall dürfen Exekutionsanträge gegen den Schuldner nicht bewilligt werden und richterliche Pfand- und Befriedigungsrechte können nicht erworben werden.

Während der Vollstreckungssperre ruht darüber hinaus die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung. Zudem besteht während der Vollstreckungssperre ein Vertragsauflösungsschutz für unternehmenswesentliche Verträge, um die Unternehmensfortführung nicht zu gefährden.

Restrukturierungsplan

Kernstück des Restrukturierungsverfahrens ist der vom Schuldner vorzulegende Restrukturierungsplan. Dieser hat – neben allgemeinen Angaben zum Schuldner und einem allenfalls bestellten Restrukturierungsbeauftragten – die wirtschaftliche Situation des Schuldners darzustellen und insb. eine Bewertung der Vermögenswerte, Verbindlichkeiten sowie des Unternehmens zu enthalten. Darüber hinaus sind sowohl die betroffenen Gläubiger (inkl. Einteilung in Gläubigerklassen) als auch die nicht betroffenen Gläubiger samt einer sachlichen Begründung für die Aufnahme/Nichtaufnahme in den Restrukturierungsplan anzuführen.

Weiters sind die Bedingungen des Restrukturierungsplans darzulegen. Dabei ist insb. auf die Restrukturierungsmaßnahmen (worunter v.a. eine Kürzung der Forderungen der Gläubiger fällt) sowie erforderliche Neufinanzierungen einzugehen. Überdies ist ein Finanzplan für die Dauer der Restrukturierungsmaßnahmen zu erstellen.

Der Restrukturierungsplan hat zudem eine bedingte Fortbestehensprognose zu enthalten. Diese hat dazulegen, dass – unter der Bedingung der Annahme des Restrukturierungsplans durch die Gläubiger – die Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung des Schuldners verhindert bzw. beseitigt und dadurch die Bestandsfähigkeit des Unternehmens gesichert werden kann.

Schlussendlich muss im Restrukturierungsplan auch noch ein Vergleich mit Insolvenzszenarien vorgenommen werden. Dadurch soll die Angemessenheit bzw. Vorteilhaftigkeit des Restrukturierungsplans für die Gläubiger dargetan werden.

Gläubiger/Gläubigerklassen

Die vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger sind in Gläubigerklassen einzuteilen. Folgende Unterteilungen sind dabei vorgegeben:

  • Gläubiger mit besicherten Forderungen
  • Gläubiger mit unbesicherten Forderungen
  • Anleihegläubiger
  • schutzbedürftige Gläubiger (insb. wenn Forderung < € 10.000)
  • Gläubiger mit nachrangigen Forderungen

Für kleine Unternehmen besteht eine Ausnahme von der Klassenbildung. Vom Restrukturierungsplan generell nicht erfasst werden dürfen Arbeitnehmerforderungen.

Annahme/Bestätigung des Restrukturierungsplans

Die Abstimmung über den Restrukturierungsplan findet in einer Tagsatzung vor Gericht statt. In jeder Klasse muss die Mehrheit der anwesenden betroffenen Gläubiger zustimmen und deren Forderungssumme muss zumindest 75% der Gesamtforderungssumme der anwesenden betroffenen Gläubiger in der jeweiligen Klasse betragen. Anschließend muss der Restrukturierungsplan noch vom Gericht bestätigt werden.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch ein klassenübergreifender Cram-down erfolgen. Das bedeutet, dass der Restrukturierungsplan unter gewissen Voraussetzungen trotz Ablehnung in einzelnen Gläubigerklassen gerichtlich bestätigt werden kann.

Verfahrensvarianten

In seiner „Standard-Form“ ist das Restrukturierungsverfahren als nicht öffentliches Verfahren ausgestaltet, in welches nur „betroffene Gläubiger“ einbezogen werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass der Schuldner die Durchführung eines öffentlichen Verfahrens beantragt, welches in der EU anerkannt wird und daher als „Europäisches Restrukturierungsverfahren“ bezeichnet wird.

Eine weitere Sonderform stellt das sogenannte „vereinfachte Restrukturierungsverfahren“ dar. In ein solches Verfahren dürfen nur Finanzgläubiger einbezogen werden. Erforderlich ist hierbei, dass mit der Mehrheit (75% der Forderungen) der betroffenen Finanzgläubiger in jeder Gläubigerklasse eine sogenannte „Restrukturierungsvereinbarung“ geschlossen werden kann und eine Bestätigung eines Sachverständigen vorliegt, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diesfalls kann das Gericht die Restrukturierungsvereinbarung ohne Durchführung einer Tagsatzung bestätigen.

Conclusio

Die Vorteile des neuen Restrukturierungsverfahrens liegen vor allem in dessen flexibler Ausgestaltung (insb. welche Gläubiger einbezogen werden und wie der konkrete Inhalt des Restrukturierungsplans aussieht) sowie darin, dass eine Mehrheitsentscheidung möglich ist.

Die wesentlichen Nachteile des Restrukturierungsverfahrens resultieren aus der fehlenden Möglichkeit von begünstigen Vertragsauflösungen sowie der hohen Verfahrenskosten.

Es bleibt daher abzuwarten, ob sich das neue Restrukturierungsverfahren (allenfalls auch in der Form des „vereinfachten Restrukturierungsverfahrens“ lediglich mit Finanzgläubigern) in der Praxis durchsetzen wird.

Feststeht jedenfalls, dass eine gute Verfahrensvorbereitung (sowohl in rechtlicher als auch betriebswirtschaftlicher Hinsicht) unabdingbar sein wird, da der Antrag bereits umfangreiche Informationen zu enthalten hat bzw. zahlreiche Unterlagen beizuschließen sind. Die Restrukturierungsexperten von KWR beraten und unterstützen Sie gerne bei der Erarbeitung wirtschaftlich sinnvoller und rechtlich umsetzbarer Restrukturierungsalternativen.

Bei Fragen stehen Ihnen die KWR-Restrukturierungsexperten gern zur Verfügung.

Thomas Haselberger

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