Grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze bringen für die beteiligten Unternehmen eine Reihe administrativer Pflichten mit sich, die im Detail im Lohn- und Sozialdumping Gesetz, kurz LSD-BG, geregelt sind. Das LSD-BG wurde erst kürzlich novelliert (Neues zum Lohn- und Sozialdumping | KWR). Bei Nichteinhaltung der umfassenden Pflichten drohen erhebliche Strafen. Diese Strafen müssen nach den Vorgaben der Entsende-Richtlinie (RL (EU) 2018/957) „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Die nach LSD-BG in Österreich bisher und laufend verhängten Strafen zeigen, dass die Nichteinhaltung der Vorgaben bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen kein Kavaliersdelikt ist.
In diesem Zusammenhang dürfen wir Sie über eine jüngst ergangene Entscheidung des EuGH informieren. Der Rechtssache C-205/20 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschaft CONVOI mit Sitz in der Slowakei entsandte Ihre Arbeitnehmer an eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich (Fürstenfeld). Die Gesellschaft hielt die ihr nach dem LSD-BG obliegenden Melde- und Bereithaltepflichten nicht ein. Es kam zu einer Kontrolle. In der Folge verhängte die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld eine Geldstrafe in Höhe von EUR 54.000,00 gegen die Gesellschaft. Die Gesellschaft bekämpfte die Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Steiermark. Es wurde ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingeleitet. Das Landesverwaltungsgericht wollte es im Wesentlichen wissen, ob sehr hohe Geldbußen, insbesondere hohe Mindeststrafen kumulativ pro betroffenem Arbeitnehmer zu verhängen sind, ohne dass eine Höchststrafe festgelegt wird. Dies ist Teil des sogenannten „Kumulationsprinzips“, das dem österreichischen Verwaltungsrecht zugrunde liegt – pro Verstoß pro Arbeitnehmer eine Strafe. Diese Strafen werden dann aufaddiert zu einer Gesamtstrafe, die sehr hoch ausfallen kann (=kumulierte Strafe).
In der Rechtssache C-64/18 („Maksimovic-Entscheidung“) hatte der EuGH zum Kumulationsprinzip bereits festgestellt, dass hohe, kumulierte Strafen nicht rechtmäßig sind. Trotz dieser Entscheidung hat es der österreichische Gesetzgeber bislang schlichtweg verabsäumt, die Strafbestimmungen im LSD-BG entsprechend der Entsende-Richtlinie zu ändern. Das Landesverwaltungsgericht hatte daher Zweifel an der Weiteranwendung der österreichischen Strafbestimmungen und wandte sich an den EuGH.
Der EuGH stellte wenig überraschend fest, dass Österreich bei der Umsetzung der Entsende-Richtlinie säumig ist bzw. die Strafbestimmungen im LSD-BG nicht gehörig umgesetzt hat. Die Richtlinie sehe vor, dass Sanktionen bei Verstößen gegen die Meldepflichten „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Die nationalen Gerichte müssten sicherstellen, dass die Sanktionen für die Nichteinhaltung von Verwaltungspflichten verhältnismäßig seien, so der EuGH. Der EuGH entschied, dass nationale Gerichte und Behörden verpflichtet sind, eine nationale Sanktionsregelung dann anzuwenden, wenn sie zwar gegen die Entsende-Richtlinie verstößt, aber die Verhältnismäßigkeit der Sanktionen gewährleistet ist. Ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, ist anhand aller die betreffenden Situationen kennzeichnenden Merkmale im Einzelfall zu beurteilen.
Im nationalen Verfahren liegt noch keine veröffentlichte nationale Entscheidung vor, sodass mit Spannung abzuwarten bleibt, ob es bei den EUR 54.000,00 Strafe bleibt oder diese als unverhältnismäßig angesehen werden.
Das „Aufatmen“ nach der Entscheidung Maksimovic war also offenbar nur von kurzer Dauer. Strafen sind trotz des abgeschwächten Kumulationsprinzips von österreichischen Behörden so zu verhängen, dass sie „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind.
Wir empfehlen in- und ausländischen Unternehmen aus diesem Anlass, bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen nach Österreich die umfassenden Vorgaben des LSD-BG einzuhalten. Wir unterstützen Sie gerne.
Ihr KWR-Arbeitsrechtsteam