Rundschreiben des BMJ zu veränderlichen Preisen bei BVergG-Aufträgen
COVID 19. Preisvolatilitäten im Rohstoffbereich. Lange Lieferzeiten. Bezugsschwierigkeiten. Diese Themenbereiche sind aktuell in aller Munde. Manchmal werden sie auch vermischt und (rechtlich) nicht scharf getrennt. All diese Problemstellungen stellen uns vor Herausforderungen. Manche sind neu, manche sind bereits bekannt. Massive Preisänderungen innerhalb kurzer Zeiträume haben schon in der Vergangenheit gerade im Baubereich für Aufsehen und (Un-)Kalkulierbarkeiten gesorgt. Aktuell stehen wir wieder auch vor dieser Problemstellung:
Vor Kurzem hat das Bundesministerium für Justiz (wieder) ein Rundschreiben – bezugnehmend auf das Rundschreiben des BKA-VD vom 11.11.2008, GZ BKA-600.883/0047-V/8/2008 – an alle öffentlichen Auftraggeber zur Themenstellung Festpreise vs veränderliche Preisen gerichtet. Anlassfall waren die aktuellen Preisentwicklungen bei diversen Produkten (wohl auch im Kontext der COVID-19 Pandemie). In Erinnerung gerufen wurde für öffentliche Auftraggeber § 29 Abs 5 BVergG 2018. Dieser normiert Folgendes:
„Zu Festpreisen ist auszuschreiben, anzubieten und zuzuschlagen, wenn den
Vertragspartnern nicht durch langfristige Verträge oder durch preisbestimmende
Kostenanteile, die einer starken Preisschwankung unterworfen sind, unzumutbare
Unsicherheiten entstehen. In diesem Fall ist zu veränderlichen Preisen
auszuschreiben, anzubieten und zuzuschlagen. Der Zeitraum für die Geltung fester
Preise darf grundsätzlich die Dauer von zwölf Monaten nicht übersteigen.“
Wie schon bisher hat der öffentliche Auftraggeber in der Ausschreibung (Vertragsbestimmungen) genau festzulegen, ob zu festen oder veränderlichen Preisen vergeben wird. In der Praxis wird oft bis zu einem Jahr jedenfalls zu Festpreisen beauftragt. Der Zeitraum für die Geltung fester Preise beginnt mit dem Ende der (Letzt-)Angebotsfrist (nicht mit Auftragsbeginn); dies vor dem Hintergrund der Kalkulierbarkeit.
Das Bundesministerium für Justiz weist jedoch explizit darauf hin, dass „preisbestimmende Kostenanteile, die einer starken Preisschwankung unterworfen sind (in den Erläuterungen werden beispielhaft Erdöl und Stahl genannt) und die kalkulatorische Risiken begründen, die über das normale unternehmerische Risiko hinausgehen, […] aus Gründen des fairen Wettbewerbs jedenfalls (also auch dann, wenn die Leistung binnen zwölf Monaten nach dem Ende der Angebotsfrist erbracht wird) zu veränderlichen Preisen auszuschreiben (sind).“
Die allgemeine Regel betreffend die grundsätzliche zwölfmonatige Geltung von Festpreisen wird daher nur für jene preisbestimmenden Kostenanteile durchbrochen, welche eben einer starken Preisschwankung unterworfen sind. In den Erläuterungen werden als Beispiele Erdöl und Stahl genannt, dies gilt aber gerade auch für weitere Rohstoffe wie aktuell Kupfer, Aluminium als auch für Kunststoffe. Festzuhalten ist jedoch, dass eine Beurteilung – welche dieser Kostenanteile kalkulatorische Risiken begründen und über das normale unternehmerische Risiko hinausgehen – stets auf Grundlage des Einzelfalls vorgenommen werden muss.
Diese Regelung ist jedenfalls bei Neuvergaben zu beachten. Bei bereits abgeschlossenen Verträgen sind Preissteigerungen dann relevant, sofern zu Festpreisen ausgeschrieben wurde. In diesem Fall sind Preisvolatilitäten zunächst anhand der vereinbarten Regelungen zu beurteilen. Eine wichtige Rolle wird dabei sein, ob etwaige Preisschwankungen unvorhersehbar und unzumutbar waren bzw welcher Sphäre diese zuzurechnen sind. Bestehen keine vertraglichen Regelungen ist der Sachverhalt jedenfalls auf Grundlage des ABGB bzw allenfalls vereinbarter ÖNORMEN zu beurteilen. In diesem Zusammenhang dürfen wir gerne auf die Expertise unseres Bau- und Immobilienrechtsteam verweisen, welche bereits diverse Publikationen und ua auch zu diesem Themengebiet veröffentlicht hat.
Bei Fragen steht Ihnen unser Vergaberechtsteam sehr gern zur Verfügung!