Anrechnung des Entgelts eines neuen Dienstverhältnisses während einer Dienstfreistellung

Die grundsätzlichen Wesensmerkmale des Arbeitsverhältnisses sind die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und…

Die grundsätzlichen Wesensmerkmale des Arbeitsverhältnisses sind die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, und die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer dafür Entgelt zu bezahlen. Gerade im Zusammenhang mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen kommt es oft zu (unwiderruflichen) Dienstfreistellungen während der Kündigungsfrist. Was gilt, wenn ein gekündigter Arbeitnehmer während der Dienstfreistellung eine neue Beschäftigung gefunden hat? Der OGH hat zu dieser Frage vor kurzem Stellung genommen (9 ObA 52/23x).

1. Sachverhalt

Die Arbeitgeberin beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin aufzulösen. Aus diesem Grund bot sie der Arbeitnehmerin zwei Optionen einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses an:

  • Option 1: Unwiderrufliche sofortige Dienstfreistellung, Zahlung des Gehalts bis zum Beendigungszeitpunkt 31.1.2021, die Gewährung eines Bonus und einer freiwilligen Abfertigung sowie die Option, das Dienstverhältnis vorzeitig zu beenden. Im Falle der vorzeitigen Beendigung war eine Schmälerung der freiwilligen Abfertigung vorgesehen.
  • Option 2: Unwiderrufliche Dienstfreistellung mit Beendigungszeitpunkt per 30.4.2021 ohne freiwillige Abfertigung.

Vereinbart wurde die Option 2. Mit 1.3.2021 begann die Arbeitnehmerin ein neues Arbeitsverhältnis. Fraglich war nunmehr, ob sie sich die Einkünfte aus dem neuen Arbeitsverhältnis anrechnen lassen muss oder nicht. Der OGH entschied zugunsten einer Anrechnungsverpflichtung.

2. Hintergrund und Entscheidung des OGH

§ 1155 ABGB normiert nämlich – neben einer Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers – auch eine Anrechnungspflicht des Arbeitnehmers. Diese Anrechnungspflicht besteht unter anderem für jene Einkünfte, die ein Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung im Zeitpunkt der Dienstverhinderung bzw Dienstfreistellung erworben hat. Allerdings kann § 1155 ABGB vertraglich ausgeschlossen werden.

Das war nach der Ansicht der Vorinstanzen der Fall. Demnach wurde die Anwendung der Anrechnungsregel des § 1155 ABGB stillschweigend ausgeschlossen. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit einem Vergleich der beiden Optionen.

Der OGH teilte diese Auffassung nicht. Zwar sei nach Ansicht des OGH ein stillschweigender Ausschluss möglich, allerdings nur dann, wenn kein vernünftiger Grund besteht, an dem Willen der Parteien zu zweifeln. Im konkreten Fall lagen nach der Ansicht des OGH keine ausreichenden Gründe vor, um einen stillschweigenden Ausschluss des § 1155 ABGB anzunehmen.

Der OGH hielt ferner fest, dass die Anrechnungsverpflichtung auch bei grundloser Dienstfreistellung bestehe. Die Anrechnungsverpflichtung bestehe nur in jenen Fällen nicht, in denen der Einwand des Arbeitgebers rechtsmissbräuchlich erfolgt. Nach Ansicht des OGH liegt aber selbst im Falle eines vorsätzlichen Nichtzulassens zur Arbeit noch kein Missbrauch vor, der eine Anrechnung ausschließen würde. Vielmehr würde es dafür aber konkreter unlauterer Motive bedürfen, die vom Arbeitnehmer auch nachzuweisen sind.

Die Arbeitnehmerin argumentierte auch eine analoge Anwendung des § 1162b ABGB; nach dieser Bestimmung erfolgt eine Anrechnung anderweitigen Verdiensts auf die Kündigungsentschädigung bei ungerechtfertigten Entlassungen bzw. gerechtfertigten Austritten erst nach drei Monaten. Der OGH hat eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Dienstfreistellungen während der Kündigungsfrist mangels planwidriger Lücke jedoch abgelehnt.

3. Fazit

Die Entscheidung des OGH bestätigt, dass sich ArbeitnehmerInnen anrechnen lassen müssen, was sie während einer Dienstfreistellung anderweitig verdienen. Ferner hat der OGH nochmals klargestellt, dass diese Anrechnung sofort stattfindet, und nicht erst nach drei Monaten. Es ist dennoch empfehlenswert, die Anrechnungsregeln in einer Dienstfreistellung zu vereinbaren, um Streitigkeiten vorzubeugen.  

Das KWR-Arbeitsrechtsteam steht Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung.

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