Die Ausbreitung des COVID-19 Virus, besser bekannt als Coronavirus, erfasst derzeit fast alle Lebens- und Rechtsbereiche. Dazu zählt auch das Gesellschaftsrecht. Der nachfolgende Beitrag beleuchtet kurz Auswirkungen auf den Firmenbuchbetrieb generell, auf Aktiengesellschaften und auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
I. Auswirkung auf den Firmenbuchbetrieb
Alle ausgeschriebenen streitigen Verhandlungen in Gesellschaftsrechtssachen (zB Gesellschafterstreitigkeiten, Anfechtungsverfahren uä) wurden in den letzten Tagen von den Handelsgerichten abberaumt und meist auf unbestimmte Zeit vertagt. Der nicht-streitige Firmenbuchbetrieb läuft hingegen weiter, Richter und Rechtspfleger arbeiten idR von Zuhause. Im Firmenbuchbetrieb war gerichtliche Telearbeit aus dem Home Office, insbesondere auch bei den Rechtspflegern, schon vor dem Ausbruch von COVID-19 vielfach Standard. Einige Richter waren bisher, neben ihrer Tätigkeit in Firmenbuchsachen, auch in streitigen Sachen gebunden, die nun teilweise wegfallen.
Für nicht-streitige gesellschaftsrechtliche Vorgänge, zB anstehende Gesellschafterversammlungen, Umgründungen (Verschmelzungen, Umwandlungen, Spaltungen etc.) bzw. sonstige anfallende Firmenbuchsachen wie zB Geschäftsführerwechsel, Anteilsübertragungen etc., sind die Entscheidungsorgane (Richter, Rechtspfleger) in technischer Hinsicht bereits gerüstet. Alle Kontakte mit den Firmenbuchgerichten, insbesondere die Einreichung von eintragungsrelevanten Anmeldungen und Urkunden etc., erfolgten schon bisher im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs („webERV“) zwischen Anwalt und Gericht. Österreich ist hier gegenüber anderen Ländern, bspw Deutschland, langjähriger Vorreiter in der Entwicklung gewesen. Einschränkungen ergeben sich hingegen zT im Bereich der Gerichtskanzleien. Eine reduzierte Anzahl von Mitarbeitern muss vor Ort– so wie bisher – alle im webERV einlangenden Geschäftsfälle im System „erfassen“ und dem zuständigen Richter oder Rechtspfleger zur Bearbeitung und elektronischen Entscheidung vorlegen. Hier sind Verzögerungen einzukalkulieren.
Wie aus informierten Kreisen zu hören ist (Stand 23.3.2020), ist jedenfalls bei den meisten Firmenbuchgerichten derzeit ein mehr oder weniger „normaler Workflow“ gewährleistet. Anstehende Firmenbuchvorgänge sollten somit weiterhin wirksam umgesetzt werden. Zu beachten ist, dass bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen aufgrund konstitutiver Wirkung der Firmenbucheintragung erst mit ihrer Eintragung im Firmenbuch wirksam werden, zB Errichtung von Gesellschaften, Änderungen der Satzung oder Umgründungen. Weiters sind bei einer GmbH aufgrund § 78 GmbHG idR nur Gesellschafter, die im Firmenbuch eingetragen sind, auch stimmberechtigt. Überdies können sich Dritte aufgrund der Publizitätswirkungen des Firmenbuchs auf den Firmenbuchstand verlassen, etwa wenn ein bereits abberufener aber im Firmenbuch noch nicht gelöschter Geschäftsführer oder Prokurist weiterhin für die Gesellschaft auftritt und für diese nachteilige Geschäfte abschließt.
II. Auswirkung auf notarielle Mitwirkung
Auf neue Weise einzuplanen ist die– in einigen Fällen zwingend erforderliche – Mitwirkung von Notaren in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten, sei es für gesetzlich vorgesehene Beglaubigungen von Unterschriften, die persönlich vor dem Notar geleistet werden müssten, sei es für die notarielle Beurkundung von Gesellschafterversammlungen, in denen bestimmte beurkundungspflichtige Beschlüsse gefasst werden (zB solche, die mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrags verbunden sind) bzw. die Errichtung von Notariatsakten, bei denen alle Parteien grundsätzlich persönlich vor dem Notar anwesend sein müssen (zB Gesellschaftsverträge zur Gründung von GmbHs, Anteilsübertragungen, Syndikatsverträge sofern darin Regeln zur Anteilsübertragung enthalten sind, etc.).
Diese notariellen Tätigkeiten sind derzeit leider noch nicht auf digitale Weise möglich. Um persönliche Kontakte auf ein Minimum zu beschränken, gibt es in den meisten Notariaten einen eingeschränkten Journaldienst bzw. abwechselnde „Schichten“ der Mitarbeiter. Um die Anzahl der beteiligten Personen beim Notartermin gering zu halten, können Vollmachten eingeholt werden (soweit diese nicht wiederum selbst notariell beglaubigt sein müssten). Unsere laufende gesellschaftsrechtliche Beratungspraxis ist darauf abgestimmt.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Gesetzgeber – allenfalls durch Verordnungsermächtigung an die Bundesministerin für Justiz – Möglichkeiten schafft, die notarielle Beglaubigung von Unterschriften, die Beurkundung sowie die Errichtung von Notariatsakten auch auf rein digitale Weise vorzunehmen. Bisher ist dies nur für die Gründung von GmbHs nach dem Elektronischen Notariatsform-Gründungsgesetz (ENG) seit 1.1.2019 vorgesehen, ohne das die beteiligten Personen (Gesellschafter, Geschäftsführer, ev. Prokuristen) vor einem Notar erscheinen müssen. Stattdessen können die Beratung und das eigentliche Gründungsprozedere über Videokonferenzen und elektronische Identifizierungsprozesse ablaufen. Diese Form der Gründung spielte bisher freilich in der Praxis keine nennenswerte Rolle, könnte nun aber bedeutsam werden.
III. Corona-Virus und Hauptversammlung
1. Konzept der Präsenz-Hauptversammlung
Das Corona-Virus stellt Aktiengesellschaften vor ganz besondere Herausforderungen. Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft ist vom Gesetzgeber nämlich, anders als bei der GmbH und anderen Gesellschaftsformen, zwingend als Präsenzversammlung konzipiert. Dies gilt sowohl für börsenotierte als auch für nicht börsenotierte Gesellschaften. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen die Aktionäre an einem physischen Ort zusammenkommen und sich dort austauschen. Dieses Konzept wurde schon im Vorfeld immer wieder kritisch hinterfragt. In Zeiten von Corona sieht sich dieses Konzept geradezu unüberwindbaren Hindernissen gegenüber.
2. Bereits bestehende Gestaltungsmöglichkeiten
Man sollte aber nicht übersehen, dass der Gesetzgeber schon nach geltendem Recht gewisse Möglichkeiten der Einbindung neuer Medien vorsieht, und dies sogar schon seit dem Aktienrechtsänderungsgesetz (AktRÄG) 2009, somit seit mehr als 10 Jahren. Gemäß § 102 Abs 3 AktG kann die Satzung vorsehen oder den Vorstand diesbezüglich ermächtigen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung im Weg elektronischer Kommunikation teilnehmen und auf diese Weise „einzelne oder alle Rechte ausüben können“. Insbesondere besteht die Möglichkeit
- der Teilnahme an einer zeitgleich mit der Hauptversammlung an einem anderen Ort im In- oder Ausland stattfindenden Versammlung, die mit der eigentlichen HV durch eine optische und akustische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit verbunden ist (Satellitenversammlung)
- der Fernteilnahme von Aktionären mittels einer akustischen und allenfalls auch optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit, sowie
- der Fernabstimmung, dh Abgabe der Stimme auf elektronischem Weg, nicht aber Ausübung der sonstigen Aktionärsrechte wie etwa des Fragerechts.
Diese Maßnahmen wurden aber bis dato praktisch kaum genützt, insbesondere weil die Gesellschaften vor technischen Problemen und einem erhöhten Anfechtungsrisiko zurückschrecken. Genützt wird lediglich die Möglichkeit zur Übertragung der HV per Livestream (§ 102 Abs 4 AktG), meist nur bis zu den Wortmeldungen der Aktionäre.
Eine weitere praktisch sinnvolle Möglichkeit ist die Bestellung von Stimmrechtsvertretern. Man kann eine große Ansammlung von Aktionären vermeiden, wenn (möglichst viele) Aktionäre einen Stimmrechtsvertreter bestellen. Es gibt verschiedene Institutionen, wie insbesondere den Interessensverband der Anleger (IVA), die diesbezügliche Services anbieten. Einen solchen Stimmrechtsvertreter kann man den einzelnen Aktionären aber lediglich empfehlen und nicht bindend vorschreiben.
Eine andere, traditionelle Möglichkeit ist die in § 127 AktG vorgesehene Abstimmung per Brief. Diesfalls übermitteln die Aktionäre ihre Stimmen schriftlich im Sinne von § 886 ABGB, dh mit einer physischen Unterschrift versehen, an die Gesellschaft. Anders als bei der Fernabstimmung ist hier zwingend die Verwendung eines von der Gesellschaft zur Verfügung zu stellenden Formulars (Stimmzettel) vorgesehen. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass es keine Möglichkeit bietet, flexibel auf Änderungen während der Hauptversammlung selbst zu reagieren.
3. Aktuelle Maßnahmen des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber hat die aktuellen Probleme im Zusammenhang mit dem Corona-Virus durch zwei Maßnahmen vorläufig entschärft. Einerseits ist in Artikel 32 des umfangreichen 2. COVID-19-Gesetzes vorgesehen, dass temporär Versammlungen von Gesellschaftern (und Organmitgliedern) einer Kapitalgesellschaft, wozu auch die Aktiengesellschaft zählt, nach Maßgabe einer Verordnung der Bundesministerin für Justiz auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden können. Allerdings hat die Verordnung die gesetzliche Vorgabe gemäß § 1 Abs 2 des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes, dass eine „vergleichbare Qualität der Willensbildung“ gewährleistet sein muss. Es bleibt abzuwarten, welche konkreten Vorgaben diese Verordnung enthalten wird.
Zweitens wird der Zeitdruck, der sich aus § 104 Abs 1 AktG ergibt, entschärft. Dort ist nämlich vorgesehen, dass die ordentliche Hauptversammlung der AG in den ersten 8 Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden hat. In § 2 des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes ist nun vorgesehen, dass diese Frist auf 12 Monate verlängert wird. Bei einem Regelgeschäftsjahr (Bilanzstichtag 31.12.) haben die Gesellschaften damit bis Jahresende Zeit, ihre ordentliche Hauptversammlung abzuhalten. Damit sollte es möglich sein, zuzuwarten, bis die aktuelle Krise hoffentlich überwunden ist.
IV. Auswirkungen auf GmbH-Gesellschafterbeschlüsse
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Covid 19 haben auch Auswirkungen auf die Abhaltung von Generalversammlungen und die Möglichkeiten der Beschlussfassung in einer GmbH. Generalversammlungen finden nämlich grundsätzlich durch physische Teilnahme der Gesellschafter statt. Ob eine solche Teilnahme unter den Ausnahmetatbestand der beruflichen Erforderlichkeit gemäß der Verordnung des Gesundheitsministers subsumiert werden kann, ist zwar fraglich. Dennoch werden viele Gesellschafter wohl lieber auf eine körperliche Teilnahme verzichten. Im Folgenden soll daher erörtert werden, wie angesichts der Ausgangsbeschränkungen dennoch Entscheidungen in der GmbH getroffen werden können.
1. Generalversammlung: Physische Teilnahme zwingend erforderlich?
Nach § 34 Abs 1 GmbHG fassen Gesellschafter einer GmbH ihre Beschlüsse grundsätzlich in einer Generalversammlung, die mindestens einmal im Jahr von den Geschäftsführern einzuberufen ist. Es handelt sich dabei um die ordentliche Generalversammlung. Daneben ordnet das Gesetz die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung an, wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, etwa dann, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren gegangen ist oder die URG-Kennzahlen erfüllt sind.
Die Generalversammlung zeichnet sich dadurch aus, dass die Gesellschafter oder ihre Vertreter physisch daran teilnehmen. Die Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung besteht bei der GmbH wie oben bei der AG beschrieben und wird derzeit deutlich vermehrt in Anspruch genommen, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden.
Fraglich ist, ob die physische Teilnahme also solche zwingend erforderlich ist. Anders als das Aktiengesetz sieht das GmbHG keine ausdrückliche Regelung dafür vor, dass durch Satzungsgestaltung Generalversammlungen auch im Wege der elektronischen Kommunikation stattfinden können. Da aber das GmbHG weitgehend dispositiv ist und so auch § 34 GmbHG, kommt bei der GmbH die Teilnahme an einer Generalversammlung im elektronischen Weg aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Regelung ebenso in Betracht. Das kann entweder über eine Video- oder über eine Telefonkonferenz erfolgen. Selbst wenn eine gesellschaftsvertragliche Regelung fehlt, ist es nach unserer Ansicht zulässig, an einer Generalversammlung über Video- oder Telefonkonferenz teilzunehmen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sämtliche Gesellschafter dieser Form der Teilnahme zustimmen.
2. Beschlussfassung im schriftlichen Wege
Die Abhaltung einer Generalversammlung ist gesetzlich in einer Reihe von Fällen vorgesehen (etwa samt notarieller Beurkundung bei Gesellschaftsvertragsänderungen, Umgründungen oder dem Auflösungsbeschluss). Sonstige Beschlüsse der Gesellschafter können auch außerhalb einer Generalversammlung gefasst werden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss zu beglaubigen ist.
Die Möglichkeit, außerhalb einer Generalversammlung Beschlüsse zu fassen, wird in der Praxis regelmäßig in Form von Umlaufbeschlüssen wahrgenommen. Die gesetzliche Grundlage bietet dafür ebenfalls § 34 GmbHG. Demnach haben die Gesellschafter entweder dem Beschlussantrag zuzustimmen (1. Variante) oder sie müssen zumindest mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden sein (2. Variante).
Oft werden Beschlüsse nach der ersten Variante gefasst, wenn sich die Gesellschafter also einig sind. Wenn auch nur ein Gesellschafter dem Beschlussantrag nicht zustimmt, kommt kein Beschluss zustande. Aufgrund der aktuellen Lage wird aber auch die zweite Variante der möglichen Beschlussfassung nach § 34 GmbHG an praktischer Bedeutung gewinnen. In diesem Fall müssen die Gesellschafter nur mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden sein. Ob sie für oder gegen den Beschlussantrag stimmen, ist dagegen unerheblich. Zu beachten ist in diesem Fall, dass die erforderliche Stimmrechtsmehrheit nicht wie in der Generalversammlung nach der Zahl der abgegebenen Stimmen berechnet wird. Maßgeblich ist vielmehr die Gesamtzahl der allen Gesellschaftern zustehenden Stimmen.
3. Welche Möglichkeiten bestehen, wenn sich Gesellschafter unkooperativ zeigen?
Die aktuelle Situation kann für manche Gesellschafter einen Anreiz schaffen, Beschlussfassungen zu verhindern. Denn eine Generalversammlung im Wege der Video- oder Telefonkonferenz setzt ohne gesellschaftsvertragliche Regelung die Zustimmung aller Gesellschafter voraus. Wenn auch nur ein Gesellschafter nicht einverstanden ist, kommt eine Beschlussfassung in dieser Form nicht in Betracht.
Abhilfe kann zwar in diesem Fall die Beschlussfassung im schriftlichen Wege schaffen, wo diese zulässig ist. Aber auch hier müssen alle Gesellschafter, wie erwähnt, entweder dem Beschlussantrag zustimmen oder zumindest mit der Abstimmung im schriftlichen Weg einverstanden sein. Will ein Gesellschafter zu keinem der beiden Varianten seine Zustimmung erteilen, kann er damit die Beschlussfassung der Gesellschaft verhindern.
In manchen Fällen schafft das Gesetz Abhilfe, indem es etwa die Anrufung des Gerichts ermöglicht. Dies gilt zB bei der Abberufung von Geschäftsführern, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Aber auch ohne ausdrückliche Anordnung kann eine Klage gegen den Gesellschafter auf Zustimmung in Frage kommen und zwar dann, wenn die Verweigerung der Zustimmung eine Verletzung der Treuepflicht begründet oder der Gesellschafter rechtsmissbräuchlich handelt.
Die Möglichkeit, sich an das Gericht zu wenden, ist zwar eine Lösung für das Problem, sie ist (gerade in der gegenwärtigen Ausnahmesituation) aber nicht sehr effizient. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass nach dem neuen Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetz Generalversammlungen auch ohne physische Anwesenheit stattfinden können, wenn auch die nähere Ausgestaltung noch einer Verordnung vorbehalten ist. Dies sollte Gesellschaftern Einhalt gebieten, welche aus eigennützigen Motiven Beschlussfassungen in der GmbH verhindern wollen.
Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen die Autoren dieses Beitrags, RA Priv.-Doz. Dr. Thomas Haberer, RA Mag. Arno Cichocki und RA Dr. Merve Cetin, sowie die übrigen Mitglieder des KWR-Gesellschaftsrechtsteams sehr gerne zur Verfügung.