Dekarbonisierung und Wärmewende im Gebäudesektor

Die neue EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) definiert den Weg zum vollständig dekarbonisierten Gebäudebestand bis 2050. 

Die Neufassung der Gebäuderichtlinie (EU) 2024/1275 (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) wurde am 8.5.2024 im Amtsblatt der Union veröffentlicht.[1]

Bereits am 7. Dezember 2023 hatte es eine politische Einigung zur Neugestaltung der EU-Gebäuderichtlinie[2] aus dem Jahr 2010 gegeben, um Emissionen und Energieverbrauch von Gebäuden in der gesamten EU zu senken. Die Dekarbonisierung und Ökologisierung des Gebäudesektors ist eine wesentliche Maßnahme, um das Ziel der Klimaneutralität in Europa bis 2050 zu erreichen. Auf den Gebäudesektor entfallen etwa 40 % des Endenergieverbrauchs und 36 % der energiebedingten Treibhausgasemissionen in der EU. Zwei Drittel der für die Heizung und Kühlung von Gebäuden genutzten Energie stammen nach wie vor aus fossilen Brennstoffen. Erdgas spielt die größte Rolle bei der Beheizung von Gebäuden und macht rund 39 % des Energieverbrauchs für die Raumheizung in Wohngebäuden aus.

Die Überarbeitung der Richtlinie ist Teil der „Fit für 55“-Vorschläge der Kommission zur Umsetzung des europäischen Grünen Deals und des Europäischen Klimagesetzes. Mit der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie verfolgt die EU das anspruchsvolle Ziel, den Gebäudebestand in der gesamten Union bis 2050 zu dekarbonisieren. Die meisten Bestimmungen der EU-Gebäuderichtlinie werden mit dem 28.5.2024 in Kraft treten.

 

Neue Vorgaben der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie (EPBD)

  • Nullemissionsgebäude: Mit der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie wird das sogenannte Niedrigstenergiegebäude vom Nullemissionsgebäude als Mindeststandard für neue Gebäude abgelöst. Das Nullemissionsgebäude hat einen sehr geringen Energiebedarf und verursacht keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen am Standort und keine beziehungsweise nur eine sehr geringe Menge an betriebsbedingten Treibhausgasemissionen. Ab 2030 sollen alle neuen Gebäude als Nullemissionsgebäude emissionsfrei sein, neue öffentliche Gebäude bereits ab 2028. Bis 2050 sollen grundsätzlich alle Gebäude den Status eines Nullemissionsgebäudes erlangen. Der Standard für Nullemissionsgebäude wird jeweils von den Mitgliedsstaaten erarbeitet.
  • Nationale Zielpfade und Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz für Nichtwohngebäude: Jeder Mitgliedstaat legt einen eigenen nationalen Zielpfad fest, um den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 % und bis 2035 um 20 - 22 % zu senken. Für Nichtwohngebäude sieht die überarbeitete Richtlinie die schrittweise Einführung von Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz vor, wobei bis 2030 die 16 % und bis 2033 die 26 % der Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz renoviert werden müssen.
  • Nationaler Gebäuderenovierungsplan: Um bis 2050 die Transformation bestehender Gebäude in Nullemissionsgebäude zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Grundsatz „Energieeffizienz an erster Stelle“ nationale Gebäuderenovierungspläne erstellen, die u.a. auch Fahrpläne zur Transformation des nationalen Gebäudebestands in Nullemissionsgebäude enthalten. In diesen sind aufbauend auf den nationalen Zielpfaden und den Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz für Nichtwohngebäude klare Zielsetzungen für die Jahre 2030, 2040 und 2050 für den Umbau des Gebäudebestands zu Nullemissionsgebäuden bis 2050 (sowohl öffentliche als auch private Wohn- und Nichtwohngebäude) festzulegen. Die nationalen Gebäuderenovierungspläne müssen sicherstellen, dass auf nationaler Ebene ausreichend Finanzmittel bereitgestellt werden, um private Investitionen zu mobilisieren. Die Kommission wird hierzu ebenfalls EU-Mitteln beitragen. Nach Schätzungen der EU werden sich diese zwischen 2023 und 2030 auf mehr als 100 Mrd. EUR belaufen. Der nationale Gebäuderenovierungsplan ist alle fünf Jahre zu erstellen und der Kommission vorzulegen. Sie bilden einen Teil des integrierten nationalen Energie- und Klimaplans der Verordnung (EU) 2018/1999. Der erste Gebäuderenovierungsplan ist bis zum 31. Dezember 2026 der Kommission vorzulegen.
  • Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln: Bis 2040 soll ein vollständiger Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln umgesetzt werden. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen umfasst grundsätzlich die Wärme- und Kälteversorgung. Die nationalen Gebäudesanierungspläne sollen diesbezüglich Details festlegen. Ab 2025 sind nationale Förderungen für Heizkessel mit ausschließlich fossilen Brennstoffen unzulässig.
  • Neuer Energieausweis: Die Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz wurden überarbeitet. In den überarbeiteten Ausweisen gibt es eine gemeinsame Skala von A bis G. Die Einführung einer gemeinsamen Skala von Energieeffizienzklassen und einer gemeinsamen Vorlage sollte eine ausreichende Vergleichbarkeit der Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz in der gesamten Union gewährleisten. In die Klasse A werden emissionsfreie Gebäude eingeordnet, während in die Klasse G die Gebäude des nationalen Gebäudebestands fallen, die die schlechteste Energieeffizienz aufweisen. Zudem können die Mitgliedstaaten eine Energieeffizienzklasse „A+“ für Gebäude festlegen, die eine noch bessere Gesamtenergieeffizienz als Nullemissionsgebäude aufweisen, da die von ihnen jährlich erzeugte erneuerbare Energie (am Standort) ihren Energieverbrauch übersteigt. Die ausgestellten Energieausweise sind in einer nationalen Datenbank zu speichern. Die Energieausweise müssen häufiger als bisher ausgestellt und an (potenzielle) Käufer und Mieter ausgehändigt werden, etwa bei umfangreichen Sanierungen und Verlängerungen von Mietverträgen.
  • Solarenergie in Gebäuden: Die Mitgliedsstaaten müssen bis 2030 - soweit es technisch und wirtschaftlich sinnvoll ist - schrittweise Solaranlagen in öffentlichen Gebäuden und Nichtwohngebäuden, je nach deren Größe, sowie in allen neuen Wohngebäuden installieren.
  • Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien: Sofern technisch und wirtschaftlich machbar, müssen darüber hinaus in Nullemissionsgebäuden (d. h. in allen neuen Gebäuden ab 2030) 100 % des jährlichen Primärenergieverbrauchs mit erneuerbaren Energien, die am Standort, in der Nähe oder von einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft erzeugt werden, mit Energie aus einem effizienten Fernwärme- und Fernkältesystem oder mit Energie aus CO2-freien Quellen gedeckt werden.
  • Ausbau Ladeinfrastruktur: Die EU-Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR)[3] enthält Ziele für die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur. Die überarbeitete EPBD ergänzt die AFIR durch Anforderungen an die Ladeinfrastruktur und die Vorverkabelung in Gebäuden und angrenzenden Parkplätzen, sowohl bei Wohngebäuden als auch am Arbeitsplatz, um die erforderliche Ladeinfrastruktur zu schaffen.
  • Ausnahmeregelungen: Insbesondere für landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude sowie für Gebäude, die aufgrund ihres architektonischen oder historischen Wertes geschützt sind, sowie für Kirchen und Gotteshäuser sind weiterhin Ausnahmen vorgesehen.

 

Die Umsetzung der überarbeiteten EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) auf nationaler Ebene

Mit Inkrafttreten ist die überarbeitete EU-Gebäuderichtlinie grundsätzlich bis zum 29. Mai 2026 umzusetzen. Mit 1. Januar 2025 gilt bereits das Förderverbot für die Installation von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln.

Viele der Vorgaben der überarbeiteten EPBD werden wie bisher vorrangig in den (landesgesetzlichen) Bauordnungen bzw. Bau(-technik)-Vorschriften sowie Wohnbauförderungsbestimmungen umgesetzt werden. Zudem werden die OIB-Richtlinien zu überarbeiten sein. Eine Novellierung des Energieausweis-Vorlage-Gesetz 2012[4] ist ebenfalls zu erwarten.

Mit dem Erneuerbare-Wärme-Paket[5] wurde das bestehende Einbauverbot von Heizanlagen auf Basis von fossilem Öl und Kohle nach dem Ölkesseleinbauverbotsgesetz (ÖKEVG 2019) auf sämtliche Anlagen ausgeweitet, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können. Eine Pflicht zum Austausch oder die Umstellung von bestehenden Anlagen, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, wurde im Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWG) nicht normiert. Das Einbauverbot gilt für Neubauten (§ 3 EWG), im Bereich des Gebäudebestandes sind als gesetzgeberische Maßnahme bislang ein aufgestocktes Förderungsangebot vorgesehen. Insbesondere wurde das Förderangebot im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes (UFG) ausgebaut. Damit (allein) die Zielvorgabe der überarbeiteten EPBD zu erreichen, bis 2040 ein vollständiger Ausstieg für Heizkessel für fossile Brennstoffe umzusetzen, ist jedenfalls eine Herausforderung. Laut Schätzungen aus dem Jahr 2023 werden 35 % der Hauptwohnsitze in Österreich direkt fossil beheizt.[6]

Es wird hier neben dem Ausbau der Förderungen wohl auch eine Modernisierung der Bestimmung des Miet- und Wohnrechtes erforderlich sein, um den Umstieg zu erneuerbaren Wärme- und Kälteversorgungsanlagen zu erleichtern. Dabei hinkt insbesondere das HeizKG in Bezug auf die, für die Wärmewende besonders wichtigen neuen dezentralen Versorgungsmodellen (Contracting, Nahwärmeversorgungsmodelle, etc.) deutlich hinterher (exemplarisch ist hier die Definition der Versorgungskosten in § 2 Z 8 HeizKG zu nennen).

Das KWR-Team für Nachhaltigkeitsrecht unterstützt Sie gerne bei Fragen zur energetischen Modernisierung von Immobilien und steht Ihnen bei allfälligen Fragen rund um die Umsetzung von erneuerbaren Energieprojekten zur Verfügung.

 

[1] Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden; ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2024/1275/oj.

[2] EU-Gebäuderichtlinie (EU) 2010/31; ABl L 153/13; ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2010/31/oj.

[3] Verordnung (EU) 2023/1804; ABl L 234/1; ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2023/1804/oj.

[4] BGBl I 2012/27.

[5] BGBl I 2024/8.

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