KWR Energy Law News Nr. 4

Neue Maßnahmen zur Erhöhung der Gas-Versorgungssicherheit

Auch die österreichische Politik versucht sich – nach der etwas holprigen Einführung der sogenannten „strategischen Gasreserve“ (dazu KWR Energy Law News Nr. 1) – spät aber doch darin, im Eilverfahren weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Gasversorgung zu erlassen. Während am 19.5.2022 im Nationalrat bereits eine Novelle des Energielenkungsgesetzes (1461 Beilagen NR, XXVII. GP) und eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (532/BNR) beschlossen wurden (die Zustimmung des Bundesrats steht noch aus), wurde am selben Tag von Vertretern der Regierungsparteien auch ein Initiativantrag (2600/A, XXVII. GP) eingebracht, der helfen soll, das Problem des Speicherleerstands (Stichwort: Gasspeicher Haidach) zu lösen. Diese Vorhaben werden nachstehend kurz vorgestellt:

1. Die (anstehende) Novelle des Energielenkungsgesetzes (EnLG)

Mit den neuen §§ 6a und 13 EnLG und der „Verschiebung“ in den allgemeinen Teil des Gesetzes sollen die bisher nur bei Lenkungsmaßnahmen für feste und flüssige Energieträger geltenden Entschädigungsregelungen auch für Lenkungsmaßnahmen im Bereich Elektrizität und Erdgas anwendbar gemacht werden. Damit reagiert der Gesetzgeber auf jüngst vermehrt geäußerte verfassungsrechtliche (gleichheitsrechtliche) Bedenken.

Zudem wird vor allem durch die §§ 26a, 27 Abs 4 Z 1a und 42 Abs 3 EnLG die Möglichkeit geschaffen, dass Endverbraucher – neben der Besicherung von Gasmengen durch Speicherverträge, die von Versorgern gehalten werden – auch selbst Gasmengen einspeichern oder Dritte (einschließlich Versorger) damit beauftragen können, um diese dann im Energielenkungsfall „differenziert behandeln“ zu können. Diese Gasmengen sollen dann vor Lenkungsmaßnahmen, die das Eigentum bzw. die Verfügungsgewalt beschränken, geschützt werden. Damit soll ein Anreiz zur vorsorglichen Einspeicherung für den eigenen Bedarf geschaffen werden. Die Maßnahme richtet sich freilich primär an Großabnehmer, soll aber allen Endverbrauchern offenstehen. Um die „Hortung“ von Gas zu vermeiden, soll sich der Schutz auf 50 % des Jahresverbrauchs beschränken. Leistungsbezogene Lenkungsmaßnahmen sind aber weiterhin auch für diese Endverbraucher zulässig, mengenbezogene Lenkungsmaßnahmen nur dann, wenn sie zur Erfüllung völkerrechtlicher oder EU-rechtlicher Vorgaben erforderlich sind. Diesfalls wären der Kaufpreis samt Nebenkosten zu erstatten.

Weiters sieht die Novelle des EnLG vor, dass nun auch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Energielenkungsbeirat vertreten sein soll.

2. Die (anstehende) Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (GWG 2011)

Mit der neuesten Novelle des GWG 2011 soll ein „Market Maker“ für die Ausgleichsenergie im Gasbereich etabliert werden. Demnach hat der Bilanzgruppenkoordinator nach „Aufforderung der BMK“ ein öffentliches Ausschreibungsverfahren zur Vorhaltung von Gasmengen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit durchzuführen. Die Vorhaltung erfolgt in Speicheranlagen, die für eine unmittelbare Ausspeisung in die Marktgebiete genutzt werden können. Diese Gasmengen sind zur Bereitstellung von physikalischer Ausgleichsenergie nach Ausschöpfung anderer Möglichkeiten vorzuhalten. Die Kosten der Vorhaltung werden aus Bundesmitteln gedeckt. Festlegungen zum Einsatz der Gasmengen, zum Energiepreis sowie zur verursachungsgerechten Kostentragung sind von der BMK im Einvernehmen mit dem BMF mit Verordnung zu treffen, wobei diese der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf.

3. Geplante Maßnahmen gegen den Speicherleerstand

Der jüngste Vorschlag der Europäischen Kommission zur Neufassung der Verordnung (EU) 2017/1938 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung, der ua verbindliche Befüllungsziele und Befüllungspfade vorsieht, hat offensichtlich auch Österreich motiviert, begleitende Regelungen – wie vor allem die Einführung einer Anschlusspflicht für Speicheranlagen, eines „Use-it-or-lose-it“-Prinzips (UIOLI-Prinzips) für Speichernutzer und die Ermächtigung zumAbschluss von Ressortübereinkommen über eine gemeinsame Nutzung von Speicheranlagen – zu treffen.

Im nun seit 19.5.2022 vorliegenden Initiativantrag (2600/A, XXVII. GP) ist vorgesehen, dass alle Speicheranlagen in Österreich an das österreichische Leitungsnetz angeschlossen werden müssen. Zudem sollen in Anlehnung an das UIOLI-Prinzip des § 12 Gas-Marktmodell-Verordnung 2012 (idF BGBl II Nr. 425/2019) auch Speichernutzer dazu verpflichtet werden, ungenutzte Speicherkapazitäten „ohne schuldhaftes Zögern“ anzubieten oder zurückzugeben. Blieben Speicherkapazitäten „systematisch“ ungenutzt, so sollen diese durch das Speicherunternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung entzogen werden. Was unter dem Begriffspaar „systematisch ungenutzt“ zu verstehen ist und wie die Verpflichtungen von Speichernutzern und Speicherunternehmen in Detail ausgestaltet sind, soll mit Verordnung der E-Control geregelt werden.

Außerdem sind Ermächtigungen für die BMK enthalten, Ressortübereinkommen über die gemeinsame Nutzung von Speichern abzuschließen, was etwa für den Speicher Haidach, der bislang nur an das deutsche Marktgebiet angeschlossen ist, relevant sein würde.

4. Vorläufiges Fazit

Die vorgestellten Maßnahmen sind rechtlich alles andere als ausgegoren und beseitigen auch nicht das Problem, dass man „das Gas“ für deren Umsetzung erst einmal beschaffen muss. Ob dies gelingt, ist offen.

Die „Stärkung“ der Eigenverantwortung durch die Novelle des EnLG zeigt wohl auch, dass der Staat wenig optimistisch ist, seinen Daseinsvorsorgepflichten selbst nachkommen zu können. Dass dieses Instrument (wohl aus Gleichheitserwägungen) theoretisch und „alibihalber“ auch Kleinverbrauchern und Konsumenten ieS zur Verfügung stehen soll (die sich das aber wohl nie leisten werden können!), kann man da nur resignierend zur Kenntnis nehmen.

Ob bei der Einführung des „Market Maker“ und bei der Neuregelung der Speicherbewirtschaftung formalgesetzliche Delegationen auf Verordnungen der Weisheit letzter Schluss sind (auch wenn man versucht, dies – so gut, es geht – verfassungsrechtlich abzusichern), darf man auch bezweifeln. Auch unklare Vorgaben für das einschlägige Verwaltungshandeln machen das Ganze nicht besser. Dass Betroffene, denen Speicherrechte „entzogen“ werden, sich dagegen mit gewisser Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen werden, kann man sich jetzt schon ausrechnen. Dazu tritt auch hier, dass man – anders als bei leerstehenden Wohnungen die Mieter – die Gasmoleküle, die den Leerstand befüllen,erst mühsam wird auftreiben müssen.

Sollten Sie zu diesen oder zu anderen energierechtlichen Themen Fragen haben, steht Ihnen das KWR Energy Team jederzeit zur Verfügung.

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