Nachhaltigkeit ist für die Mehrheit der Verbraucher/-innen ein bestimmender Faktor bei ihrer Kaufentscheidung geworden. Es verwundert daher nicht, dass Klimafreundlichkeit für viele Unternehmen aus ihrem Marketingkonzept nicht mehr wegzudenken ist. Häufig wird durch sogenanntes „Greenwashing“ ein Umweltbewusstsein suggeriert, auch wenn ein solches im Unternehmen oder in der Lieferkette gar nicht umgesetzt wird. So waren nach einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 mehr als die Hälfte der Angaben über die Nachhaltigkeit von Produkten vage, irreführend oder unbegründet.
Derzeit bestehende lauterkeitsrechtliche Grenzen für Green Claims
Klagen gegen Greenwashing sind – trotz fehlender ausdrücklicher Regelungen –bereits nach der geltenden Rechtslage möglich und werden auch immer häufiger. Das Lauterkeitsrecht als Schutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs enthält wichtige Grundregeln für die Prüfung von Green Claims. Bei Verstößen gegen die Werbebeschränkungen kommen sowohl Mitbewerbern als auch klagebefugten Verbänden eine entsprechende Klagebefugnis auf Unterlassung, Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung zu.
Jedenfalls verboten sind Green Claims, die gegen eines der per se-Verbote der schwarzen Liste (Z 1 bis 23 des Anhangs zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb („UWG“)) verstoßen. Dazu zählt unter anderem die unqualifizierte Verwendung von Güte- und Qualitätszeichen.
Green Claims müssen außerdem dem Irreführungsverbot nach § 2 UWG und der Überprüfung ihres Inhalts auf Täuschungseignung standhalten. Da Aussagen über die Nachhaltigkeit von Produkten stark dazu geeignet sind, die Kaufentscheidung der Verbraucher erheblich zu beeinflussen, werden diese nach strengen Maßstäben beurteilt. Dies bedeutet, dass Aussagen absolut wahr und im Streitfall auch belegbar sein müssen. Erschwerend kommt für das werbende Unternehmen hinzu, dass es bei unklaren oder mehrdeutigen Aussagen die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss.
Was die Rechtsprechung bisher entschieden hat
Die österreichischen Gerichte haben sich bereits mit Green Claims wie „CO2-neutral“, „hergestellt mit 50% Plastikmüll aus dem Meer“ und „naturbelassen“ beschäftigt und eine besonders strenge Linie bei der Prüfung der Irreführungseignung dieser Claims gezeigt. Auch der Begriff „klimaneutral“ war in Deutschland bereits Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Mangels allgemein gültiger Definition wird derzeit angenommen, dass sich der angesprochene Verkehrskreis bei einem „klimaneutralen“ Produkt eine Herstellung oder Lieferung ohne Ausstoß von Treibhausgasen erwartet. Da hinter solchen Green Claims oftmals eine – auch als grüner Ablasshandel bezeichnete – Klimakompensationszahlung steht, wäre eine nähere Offenlegung der konkreten Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen der Werbung erforderlich, um eine Irreführung zu vermeiden.
Der europäische Grüne Deal sagt Greenwashing den Kampf an
Die EU-Kommission möchte im Rahmen des europäischen „Green Deals“ dem „Greenwashing“ einen Riegel vorschieben. Neben einem bereits veröffentlichten Richtlinie-Entwurf (RL) zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel, ist in den nächsten Monaten ein weiterer RL-Vorschlag zu Green Claims zu erwarten. Gemeinsam sollen diese beiden Entwürfe – nach Vorstellung der EU-Kommission – klare Regeln für umweltbezogene Werbeaussagen schaffen.
RL-Vorschlag zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel
Die EU-Kommission zielt mit ihrem RL-Vorschlag unter anderem durch punktuelle Anpassungen bestehender Regelungen auf einen Schutz der Verbraucher durch verstärkte Informationspflichten der Unternehmen ab. Umweltbezogene Informationen sollen dadurch noch stärker als bestimmender Faktor der Kaufentscheidung ins Bewusstsein der Verbraucher gerückt werden.
Der RL-Vorschlag enthält zunächst eine Reihe von neuen Begriffsbestimmungen, auf denen die angepassten Unlauterkeitstatbestände (teilweise) aufbauen. Definiert werden etwa Begriffe wie „Umweltaussage“, „Nachhaltigkeitssiegel“, „Zertifizierungssystem“ oder „Haltbarkeit“. Sodann folgt eine Ergänzung von für die Beurteilung einer Irreführung wesentlichen Produktmerkmale um „ökologische und soziale Auswirkungen“, „Haltbarkeit“ und „Reparierbarkeit“.
Ergänzt werden außerdem die per se-Verbote der schwarzen Liste um zehn weitere Geschäftspraktiken, die jedenfalls unlauter und verboten sind. Dazu zählen etwa
- das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem offiziellen Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde,
- das Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt, wenn diese sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts bezieht, oder
- Werbung mit Selbstverständlichem (Hervorhebung als Besonderheit, dass ein Unternehmen die für alle Anbieter geltenden gesetzlichen Anforderungen einhält).
Die vorgeschlagenen Änderungen sind damit auf europäischer Ebene ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von unzulässigem Greenwashing. Aus österreichischer Perspektive könnte der Großteil der vorgeschlagenen Neuerungen bereits aus dem wettbewerblichen Irreführungsverbot abgeleitet werden.
Warten auf den RL-Vorschlag zu Green Claims
Der mit Spannung erwartete weitere RL-Vorschlag der europäischen Kommission zu Green Claims soll einen standardisierten Rahmen für die Bewertung der Umweltauswirkungen von Produkten bieten und darauf abzielen, Behauptungen wie etwa "aus natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt" belegen zu können. Unternehmen sollen umweltfreundliche Angaben, die sie in Bezug auf ihre Produkte machen, nach dem „Product Environmental Footprint“ (PEF) oder nach anderen, von der EU genehmigten alternativen Methoden, bewerten können. Sehr vereinfacht gesagt, sollen Methoden wie der PEF die Berechnung der Umweltauswirkungen eines Produkts während seiner gesamten Lebensdauer ermöglichen.
Die Mitgliedstaaten sollen außerdem ein System zur Überprüfung der Nachweise für umweltbezogene Aussagen durch einen unabhängigen Prüfer einrichten und entsprechende Sanktionen im Fall von Verstößen vorsehen. Noch wurde der RL-Vorschlag zu Green Claims nicht offiziell veröffentlicht. Der in den nächsten Monaten zu erwartenden Präsentation durch die EU-Kommission darf mit Spannung entgegengesehen werden.
Unser New Technologies- und IP-Team hält Sie auf dem Laufenden und unterstützt Sie gerne bei der Prüfung von Green Claims.
Am 15. Februar haben KWR Partnerin Barbara Kuchar und Anwältin Beatrice Blümel ein Webinar zu diesem Thema gehalten. Sie können die Unterlagen und die Aufzeichnung des Webinars hier abrufen.